Natur Eidechsen an der Angel – Warum sich ein Biologe in Wittlich um die Tiere kümmert

Wittlich · Die Erschließung des zehn Hektar großen Industriegebiets III Nord in Wittlich ist in vollem Gang. Unterhalb des Sterenbachs kümmert sich derweil Ulrich Schulte um Eidechsen, die umgesetzt werden müssen, bevor gebaut wird.

Eidechsen Umsetzung Industriegebiet Wittlich
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Eidechsen Umsetzung Industriegebiet Wittlich

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Mit einer langen Angelrute, an der ein Faden befestigt ist, steht Ulrich Schulte geduldig am ehemaligen Gleisbett der Bahn, am Rand des neuen Industriegebiets III Nord in Wittlich. Der promovierte Biologe ist einer von wenigen Spezialisten deutschlandweit, der sich auf Reptilien und Amphibien spezialisiert hat. In Wittlich ist er im Einsatz, um Eidechsen umzusetzen.

Dazu nutzt er die Angel. Er erklärt: „Die Angel nehmen die Echsen nicht als Fremdkörper wahr. Sie nehmen an, es sei etwas Natürliches wie etwa ein Ast. So kann ich ihnen mithilfe der Angel den Faden überstreifen und sie fangen bevor sie flüchten.“ 120 Eidechsen und 60 Blindschleichen, die ebenfalls zu den Echsen zählen, hat er bislang auf dem etwa 50 Meter langen ehemaligen Gleisbett gefangen. Neben der Angel sind ein Bagger samt Fahrer wichtige Helfer bei der Naturschutzaktion. „Der Baggerfahrer schabt vorsichtig die Grasnarbe ab, die inzwischen über das Gleisbett gewachsen ist. Den Boden mit den Steinen und möglichen Eidechsen rieselt er vorsichtig auf der anderen Seite des Weges ab. Dann kann ich schauen, ob ich Tiere entdecke.“

Wenn es zu warm ist, braucht er mit seiner Fangaktion gar nicht erst zu starten, denn dann sind die Echsen zu schnell. Dazu erklärt er: „Eidechsen sind wechselwarme Tiere. Morgens, wenn die Temperaturen noch niedrig sind, bewegen sie sich langsam. Im Laufe des Tages kommen sie aber auf Betriebstemperatur und sie werden schneller. Morgens kann man sie sogar mit der Hand fangen“, sagt Ulrich Schulte über die Tiere, die oft sehr schöne, blaue Punkte auf der Haut haben, die sich sehr weich anfühlt.

Das seine Einsätze etwas seltsam auf Passanten wirken können, hat er schon öfter erlebt, etwa, wenn er mit seiner Angel in den Weinbergen an Trockenmauern stand, um die kleinen Reptilien zu schützen. Achselzuckend sagt er: „Manch einer hat mich aber auch schon gefragt, ob ich sie noch alle habe, mit einer Angel im Weinberg zu stehen. Als ich dann erklärt habe, was ich tue, waren die Menschen beruhigt.“ Nötig ist der Schutz der Mauer-Eidechsen, weil sie auf der Vorwarnliste der „Roten Liste“ der bedrohten Arten steht. „In Rheinland-Pfalz, wo die Mauereidechsen noch Lebensräume haben und häufig vorkommen, kann man sich kaum vorstellen, dass sie bedroht sind. Aber deutschlandweit ist die Art selten“, berichtet der Experte.

Bevor er die Tiere fängt, muss erst einmal geklärt sein, wohin sie ziehen sollen. Würde man in Wittlich etwa annehmen, dass sie in den Weinbergen am Pichterberg ein neues Zuhause finden könnten, kommt das nicht infrage.

„Dort gibt es schon Eidechsen und es käme zu Konkurrenz. Sie kommen nur einige Meter weiter in eine extra für sie angelegte Fläche. Diese ist eingezäunt, damit die Tiere nicht wieder in den ursprünglichen Bereich zurückgehen. Sie ist nach den besonderen Bedürfnissen der Tiere, mit Steinhaufen, die über einer ein Meter tiefen Grube liegen, als Unterschlupf für den Winter und Sandhügel für die Eiablage, angelegt.“

 Ulrich Schulte zeigt, wie er die Eidechsen mit der Angel fängt. Anschließend werden sie in einen neu geschaffenen Lebensraum umgesetzt.

Ulrich Schulte zeigt, wie er die Eidechsen mit der Angel fängt. Anschließend werden sie in einen neu geschaffenen Lebensraum umgesetzt.

Foto: Christina Bents

Ganz billig ist die Umsiedlung nicht. Im Bau- und Verkehrsausschuss wurde vor zwei Jahren der Auftrag zur Umsiedlung an das Planungsbüro BGH-Plan in Trier vergeben, für das Ulrich Schulte die Arbeit übernommen hat. Die Auftragssumme wurde damals mit knapp 74000 Euro angeben. Darin sind das Anlegen und Planen des neuen Lebensraums, der Einsatz des Baggers zum Abschaben der Grasnarbe und der Fangeinsatz von Ulrich Schulte enthalten. „Aber sie gehören einfach hierher, sie sind die Charakterart der Weinberge und der Region. Darüber ist nicht zu diskutieren“, so der Biologe überzeugt.

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