Blind für den guten Zweck: 70 Gäste beim Café Dunkel in Morbach - Wie man ohne Sicht bezahlt, speist und fummelt

Morbach · Wie sich Blinde fühlen, wenn sie einen fremden Raum betreten und dort Kaffee trinken, haben Besucher einen Nachmittag lang im Café Dunkel in der Morbacher evangelischen Kirche erlebt.

 Michael Jörg und Bianka Thees-Sonntag zeigen die Schablone zum Vermessen der Geldscheine. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Michael Jörg und Bianka Thees-Sonntag zeigen die Schablone zum Vermessen der Geldscheine. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Foto: Christoph Strouvelle (cst) ("TV-Upload Strouvelle"

Morbach. Es ist ein Gefühl der Unsicherheit, als die Besucher das als Café Dunkel umgestaltete Kirchcafé in der Morbacher evangelischen Kirche betreten. "Bleiben Sie hier stehen. Sie werden abgeholt", heißt es, sobald die Gäste die Dunkelschleuse passieren. Der Eingangsbereich aus schwarzen Decken und Folien soll auch die letzten Reste vom Licht abhalten. Die Besucher des Café Dunkel sollen nichts sehen und sich so in die Situation eines Blinden hineinversetzen, ist das Ziel der ambulanten Assistenz Morbach. Diese hat das Dunkelcafé zusammen mit der Morbacherin Brigitte Heintel am internationalen Tag der Menschen mit Behinderung organisiert und umgesetzt.

Stehen bleibt man nach dem Betreten des dunklen Caféraums automatisch. Denn die Besucher verspüren eine Unsicherheit. Wo sind die Gänge, wo die Tische, wo ist die Gefahr gegen etwas zu laufen und sich weh zu tun? "Hallo, ich bin Claudia, ich bringe Sie zu Ihrem Platz", stellt sich eine Helferin vor und geleitet die Gäste zu ihren Plätzen.
Für Claudia ist das Bewegen im dunklen Raum kein Problem. Sie ist selbst blind und daran gewöhnt, sich in fremden Räumen mit Hilfe ihrer anderen Sinne schnell zu orientieren. Jetzt folgt das Abenteuer: Kaffee trinken und Kuchen essen im Dunkeln. Wo ist der Zucker, wo der Henkel der Kaffeetasse? Das Bezahlen ist ein weiteres Problem, nur nicht für Claudia: "Sie haben mir zehn Euro gegeben, hier ist Ihr Wechselgeld." Sie vermisst deren Länge mit Hilfe einer Schablone und weiß so, ob es sich um einen Zehner oder einen anderen Geldschein handelt, sagt sie. Wie fühlen sich die Gäste, so ganz ohne Sicht? "Angenehm, ich weiß ja, dass mit Claudia jemand da ist, der sich auskennt und mich führt", sagt Georg Gröber aus Morbach. Doch nicht alle empfinden die Erfahrung so positiv. "Einige Gäste bekommen Beklemmungen und müssen direkt wieder raus", sagt Bianka Thees-Sonntag von der ambulanten Assistenz.

Vor dem Café führt der blinde Michael Jörg im Halbdunkel der Kirche die Besucher zu selbst gebastelten "Fummelkisten." "Wer blind ist, für den ist Fummeln keine Schande", lacht er. Wie findet man nur mit den Fingern einen Bleistift mit aufgesetztem Radiergummi zwischen zwanzig anderen Stiften, wie das zusammengeknüllte Stück Alufolie zwischen fünfzig Papierknäueln? Die Grenzen des Tastsinns, auf den Blinde viel mehr angewiesen sind, sind bei den Besuchern schnell erreicht.
70 Leute haben das Café Dunkel besucht, sagt Brigitte Heintel. Die Resonanz auf die Aktion sei ein schöner Erfolg. cst

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