Bohrer bricht bald durch den Beton

Cochem · Seit ein paar Tagen ist vorübergehend Schicht im Schacht respektive Ruhe in der Röhre: Die riesige Vortriebsmaschine, die eine zweite Röhre für den Kaiser-Wilhelm-Tunnel durch den Berg zwischen Ediger-Eller und Cochem frisst, steht derzeit still unter der Cochemer Jahnstraße, genauer: unter der Pension Hendriks.

Cochem. Grund für die Pause: Im Zwischenlager in Eller muss Platz geschaffen werden für Abraum. Denn: Ab heute soll der Bohrer mit einer Geschwindigkeit von 15 Metern pro Tag den heikelsten Abschnitt der Oberstadt zwischen Jahnstraße und Friedhof unterfahren. Über die Schiene kann die Deutsche Bahn aber nur so viel Abraum in die Tongrube Anton bei Berod (Westerwald) transportieren, wie der Bohrer bei einer Geschwindigkeit von zwölf Metern pro Tag hinterlässt. Was er auf jeden Fall auch schon hinterlassen hat: Risse in Gebäuden und von Lärm genervte Anwohner.
Gigantisch sind die Arbeiten am Jahrhundertprojekt Neuer-Kaiser-Wilhelm-Tunnel. Vor lauter Messsensoren und Lasern, die Bewegungen des Erdreichs registrieren, sieht es in der Cochemer Oberstadt zwischen Märtschelt, Oberbachstraße und Friedhof zum Teil "aus wie in einem Rotlichtviertel", sagt eine mit dem nötigen Galgenhumor ausgestattete Anwohnerin. Und die Sensoren hatten auf jeden Fall auch schon etwas zu messen. An einem Wohnhaus in der Märtschelt sind Haarrisse entstanden, die Treppe eines Hauses an der Oberbachstraße hat sich erkennbar gesenkt. Die Frage nach Schäden, die der Tunnelbohrer schon jetzt an Gebäuden in der Oberstadt angerichtet hat, beantwortet die Bahn so: "Es gibt Haarrisse und Setzungen in dem zu erwartenden Umfang. Die auftretenden Schäden werden nach der Unterfahrung behoben."
Nach der Unterfahrung können von Bohrgeräuschen geplagte Cochemer dann auch versuchen, ihr Schlafdefizit auszugleichen - zumindest jene, die vor dem Lärm nicht die Flucht ergriffen haben. Dieselbe ergriffen hat ein 43-jähriger Anwohner der Straße In der Märtschelt. Schon seit dem 12. September wohnt er auf Kosten der Bahn in einer Pension seiner Eltern in Ediger. Wie lange er seinen vertrauten vier Wänden noch fernbleiben muss, steht nicht fest. Nicht nur die Geräusche des Bohrers, sondern auch die Sprengungen für die Verbindungsgänge zwischen alter und neuer Tunnelröhre seien "unerträglich" laut gewesen.
Voraussichtlich am 3. November wird der Tunnelbohrer an der Endertstraße in Cochem durchbrechen, damit rechnet zumindest Stadtbürgermeister Herbert Hilken. Momentan stehen die Meißel des Bohrers, wie erwähnt, erzwungenermaßen still. Ende September gab es nach Auskunft der Bahn schon einmal eine fünftägige Zwangspause.
Damals war es auf einer Bahnstrecke bei Girod (Westerwaldkreis) zu einem schweren Unfall gekommen, bei dem ein Güterwaggon entgleist war. Infolgedessen stockte die Abfuhr des Abraums aus dem Tunnel, die Vortriebsmaschine musste angehalten werden. Ob sie bis zum Durchbruch in Cochem in einem Rutsch bohren wird, entscheidet die Bahn "je nach Erfordernis".
Ist das 1700 Tonnen schwere Gerät, eigens für die Arbeiten zwischen Eller und Cochem gebaut, erst einmal aus dem Berg, muss der Bohrkopf am Ausgang in Cochem demontiert werden. Der Rückweg nach Eller ist ihm versperrt, da das Schneidrad größer ist als die dann fertige Betonröhre. Nur der Teil hinter der Förderschnecke kann nach Eller zurückfahren.
Der Bohrkopf ist für Brücke und Gleisbett zu schwer. Daher soll die riesige Maschine in Einzelteile zerlegt werden und auf Schwerlasttransportern Cochem verlassen. Das ist jedoch nicht ganz einfach, sagt Bürgermeister Hilken. Zwei Spezialkräne werden die Aufgabe übernehmen. Ein 400-Tonnen-Kran soll dafür einen 200-Tonnen-Kran auf die neu gebaute Eisenbahnbrücke setzen - eine spektakuläre Aktion bei engen Platzverhältnissen. Der 200-Tonnen-Kran verlädt schließlich die Einzelteile.

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