Bomben in der Mosel

Im Alter von zwölf Jahren erlebte ich Weihnachten 1944 den Bombenhagel in meinem Elternhaus. Es war am ersten Weihnachtstag gegen 10.45 Uhr: Meine Mutter und ich waren allein in unserem Haus. Meine Geschwister und mein Vater waren in der Kirche als ein Sechser-Verband Flugzeuge unser Dorf bombardierte. Es war ein ohrenbetäubendes Rauschen und dann ein schrecklicher Knall, der alles zerbersten ließ. Alle Türen, Fenster und viele Möbel waren zerstört oder schwer beschädigt.Überall war der Putz von Decken und Wänden gefallen, und ich stand mittendrin und sah aus, als wäre ich aus einer Mehltonne gekrochen. Meiner Mutter und mir war außer einem Schock nichts Ernsthaftes passiert. Ich lief hinter unserem Haus nach draußen. Nach vorne konnte ich unser Haus nicht verlassen, da die Türen alle schief in den Angeln hingen.Nach kurzer Zeit kamen mir mein Vater und meine Geschwister aus der Kirche entgegen. Ich rief ihm schon von Ferne zu: "Vater, unser Haus ist kaputt!" Er fragte nur: "Wo ist die Mutter?" Ich sagte: "Sie kommt auch." Er antwortete: "Dann ist ja alles gut."Das ganze Ausmaß der Schäden konnten wir erst nach und nach feststellen. Vor dem Haus, auf dem Bahnkörper der Moselbahn, war ein Bombentrichter neben dem anderen. Ein Trichterrand reichte bis an unsere Kellersohle. Das Schlimmste war, dass im zweiten Nachbarhaus die Hauseigentümerin vor ihrer Haustüre von den Trümmern ihres Hauses erschlagen wurde. Sie hatte noch kurz vorher bei uns die Milch geholt und sagte noch, ehe sie ging, zum Himmel zeigend: "Was wollen die denn schon wieder?" Die Flugzeuge waren gerade im Anflug. Sie kam nur noch bis vor ihre Haustür. Das Haus war ganz nach vorne gekippt, es hatte einen Volltreffer abbekommen. In diesem Haus befand sich eine Funkstation der deutschen Wehrmacht mit zwei Soldaten. Eine Mieterin wurde verletzt aus den Trümmern geborgen. Den Soldaten, die unterm Dach waren, war nichts passiert! Sie rutschten einfach mit den Trümmern ab.Die Nachbarhäuser waren mehr oder weniger beschädigt. Gott sei Dank fielen die meisten Bomben ins Moselvorland und in die Mosel. Es sollen im ganzen 18 Bomben gewesen sein. Wäre der Bombenteppich ins Dorf und auf die Kirche gefallen, wäre ein Großteil der Dorfbewohner ums Leben gekommen.Dieses schreckliche Erlebnis, den Tod ganz nah vor Augen, hat mich noch lange Zeit beschäftigt. ZUR PERSON:Dorothea Dahm ist heute 72 Jahre alt. Sie ist aufgewachsen in Erden und lebt heute in Bernkastel-Kues.

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