Buchen, Zunderpilze und eine Wildkatze: Unterwegs im Nationalpark Hunsrück-Hochwald (Fotostrecke)

Deuselbach · Wildkatzen und Käfer statt Giraffen und Elefanten: Vor einem Jahr sind die Wälder im Hunsrück und Hochwald zum Nationalpark erklärt worden. Volksfreund-Reporterin Andrea Weber hat sich angeschaut, wie ein Nationalpark in Mitteleuropa aussieht.

"Knusper, knusper Knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?" Man kann sie fast hören, die Hexe aus Hänsel und Gretel. Dunkles Fichten-Grün wechselt sich ab mit leuchtend hellem Grün von Buchenblättern. Beim Gehen knacken Hölzchen auf dem Waldboden, Fichtenzapfen knistern unter den Schuhen. Wer unter den Bäumen stehen bleibt und lauscht, hört das, wonach diese Traumschleife benannt ist: das Gipfelrauschen.

Ansonsten ist es mucksmäuschenstill. Das ist er also, der Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Seit einem Jahr ist die Natur hier sich selbst überlassen. An Pfingsten 2015 wurde der Wald offiziell zum Nationalpark erklärt.

Ein großes Wort: Da denkt man an Wildnis. Giraffen und Elefanten ziehen vor dem inneren Auge vorbei. Die sind hier in Mitteleuropa nicht zu erwarten. Vielleicht Wölfe? Wie sieht ein Nationalpark mitten im Hunsrück aus?

Zu finden ist der Park mittlerweile leicht: Das Hunsrückhaus am Erbeskopf soll eines der drei Tore zu dem staatlichen Naturpark werden. Regelmäßig starten dort geführte Touren mit Rangern oder zertifizierten Führern. Das Erholungsgebiet Erbeskopf ist von Trier aus bereits hinter Thalfang ausgeschildert. Kurz vor der Abbiegung nach Deuselbach steht zum ersten Mal Hunsrückhaus auf dem Hinweisschild und kurz dahinter ein braunes Schild: Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Da ist er also. Die Schilder seien erst vor rund drei Wochen aufgestellt worden, erklärt Marianne Manz, eine Mitarbeiterin des Hunsrückhauses. "Vorher kamen viele und haben gefragt: ‚Wo ist denn jetzt der Nationalpark?‘"

Über Einbahnstraßen werden Autofahrer auf den Parkplatz geleitet. Dort stehen vereinzelte Wohnwagen und Autos. Viel los ist nicht an diesem Montagmorgen. Ein einziges Pärchen sitzt im Bistro und trinkt Kaffee. Petra Schmidt empfängt die Gäste mit einem Lächeln.

Ihre Antwort auf die Frage, was man im Nationalpark machen kann, ist kurz und klar: "Wandern." Sie lacht. Aha. Und wo? "Ich empfehle immer die Traumschleife Gipfelrauschen, die geht gleich hier los und führt durch den Nationalpark." Schmidt greift zielstrebig nach drei Prospekten: "Das ist die Starterkarte, da haben Sie alles im Überblick. Und hier stehen die Wanderwege drin. Und ich gebe Ihnen noch die Traumschleifen mit."

Was ist denn typisch für den Nationalpark? Auf was können Wanderer achten? Auf den Urwald. "Das sehen sie dann schon, das ist wirklich ganz urig." Mit Urwald meint Schmidt Wald, der schon viele Jahre sich selbst überlassen wurde. Außerdem auf die herrlichen Buchenwälder - die Rotbuchen -, dafür sei der Nationalpark bekannt, erklärt die Führerin. "An den Mooren kommen Sie leider nicht vorbei. Also nicht direkt", sie zögert. "Das ist schwierig, die zu finden, da steht leider kein Hinweisschild." Sie versucht trotzdem, den Weg zu beschreiben. Na dann los.
"Einfach den Erbeskopf rauf", hat Petra Schmidt gesagt. Einfach ist gut. Ziemlich genau ein Kilometer trennt das Hunsrückhaus von dem staatlichen Park. Ein anstrengender Kilometer. Gleich neben der Skipiste geht es durch einen kleinen Fichtenstreifen 816 Meter nach oben - auf den höchsten Berg in Rheinland-Pfalz.

Am Wegesrand sprießen Blaubeeren aus dem Boden. Die lenken von dem steilen Anstieg ab, der vor einem liegt. Den Bänken, die alle 20 Meter zum Ausruhen einladen, zu widerstehen, fällt schwer. Wer keuchend oben ankommt, den erwartet die Klangskulptur, ein riesiges begehbares Kunstwerk, das auf dem Erbes kopf thront. Ein Ausblick über den Hunsrück und das Moseltal bis in die Eifel belohnt den erschöpften Wanderer. Da stört es auch nicht, dass der Steg, der durch die Klangskulptur durchführt, leicht wankt, wenn man bis zur Spitze vorgeht.

Über ein Gipfelplateau, das lange militärisch genutzt wurde, geht es hinab in den Wald. Und da ist er: der naturbelassene Urwald, von dem Petra Schmidt gesprochen hat. Überall liegen Äste herum. Es riecht nach Tannennadeln. Bäume sind abgebrochen und umgestürzt. An manchen Stellen bedecken Moosteppiche den Boden, an sonnigeren sprießt weißer Klee. Aus Baumstümpfen wachsen handtellergroße Schwämme, als wollten sie Mensch und Tier einladen, an ihnen hochzuklettern.

"Das sind Zunderpilze", erklärt Schmidt später, "daraus kann man Zundersteine herstellen. Die wurden früher in Salpetersäure eingelegt, getrocknet und dann zündelt das schön vor sich hin." Heute noch werde das Fleisch dieser Pilze in Bulgarien und Rumänien zu Hüten und Handtaschen verarbeitet. Das Fleisch dieser Pilze sei außerdem zur Wundheilung verwendet worden.Nur der Stärkste setzt sich durch

 Von der Klangskulptur auf dem Erbeskopf hat man einen Ausblick über den Hunsrück und das Moseltal bis in die Eifel. TV-Fotos (3): Friedemann Vetter

Von der Klangskulptur auf dem Erbeskopf hat man einen Ausblick über den Hunsrück und das Moseltal bis in die Eifel. TV-Fotos (3): Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (m_wil )
 Von der Klangskulptur auf dem Erbeskopf hat man einen Ausblick über den Hunsrück und das Moseltal bis in die Eifel. TV-Fotos (3): Friedemann Vetter

Von der Klangskulptur auf dem Erbeskopf hat man einen Ausblick über den Hunsrück und das Moseltal bis in die Eifel. TV-Fotos (3): Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (m_wil )

Auf Lichtungen scharen sich kleine Nadelbäumchen und junge Buchenpflänzchen um ihren Mutterbaum. Wie kleine Baumfamilien sehen sie aus. "Das nennt man Naturverjüngung", erklärt Schmidt. Von den kleinen Bäumchen setze sich aber nur der stärkste durch. "Die können ja nicht alle groß werden."

Ilka und Bernd Köhler - das Pärchen aus dem Bistro - spazieren durch das Geäst. Die beiden haben sich von Herrstein aus auf den Weg gemacht. "Dort gibt es auch eine Traumschleife, den Mittelalterpfad, der wurde 2010 als schönster Wanderweg Deutschlands ausgezeichnet", sagt Ilka Köhler. Zum Beweis schlägt sie ein Prospekt auf. "Da steht's." Sie wanderten regelmäßig Traumschleifen, erzählt sie. Die kreuzten immer wieder den Nationalpark: "Das ist toll. Das ist alles so ursprünglich hier." Viele beschwerten sich, was das alles koste, auch die Schilder aufzustellen, "aber wir finden es einfach schön, in der ursprünglichen Natur zu wandern".

An diesem Montag sind die beiden fast alleine. Außer ihnen und der Vögel, die ein Pfeifkonzert geben, ist nur ein einziger einsamer Wanderer unterwegs. Gerhard Glockner spaziert mit einem Stock durch den Wald. Er ist Mitglied beim Deutschen Alpenverein in Bad Kreuznach und organisiert geführte Wanderungen. Am kommenden Wochenende soll es durch den Nationalpark gehen. "Und da ich das hier noch nicht kenne, wollte ich mir die Beschaffenheit vorher mal anschauen." Es sei wirklich wunderschön hier, "wie abwechslungsreich die Wege sind, es ist nichts geteert - wirklich: wunderschön."

Erst später rückt er mit der Sensation heraus: Gerhard Glockner hat eine Wildkatze gesehen. "Die sah genauso aus, wie die Katze auf dem Prospekt. Nur: Was man auf dem Prospekt nicht sieht, ist ihr Schwanz." Der sei ganz lang gewesen und viel buschiger als der einer Hauskatze. "Ich war total überrascht. Das war mein Highlight!" An den Wochenenden sei es wahrscheinlich nicht so ruhig, vermutet er.

Statt Giraffen und Elefanten also Wildkatzen. "Und 1200 Käferarten", sagt Schmidt. Die meisten sehe man aber nur mit dem Mikroskop. Dafür sei das Totholz so wichtig. "Totholz ist voller Leben." Das habe man erkannt und deshalb den Wald zum Nationalpark gemacht. Derzeit wird in manchen Zonen noch gearbeitet, der Fichtenbestand beispielsweise solle peu à peu reduziert werden. "Der Baum gehört nicht hierher", sagt sie. Den hätten damals die Preußen gepflanzt. Deshalb würden Fichten gefällt und mit der Rotbuche unterpflanzt, die weltweit gefährdet sei. "Die fühlt sich bei uns sehr wohl." In 30 Jahren sollen 75 Prozent der 10 000 Hektar Fläche Urwald sein, erklärt Schmidt. "Der Nationalpark ist der Urwald von morgen."

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