Chancen, Fragen, Zweifel

Ich gebe zu: Diese Weinkolumne zu schreiben, hat mir nicht viel Spaß gemacht. Denn es geht um ein ziemlich trockenes Thema. Und es ist ein Thema, das mich gedanklich etwas überfordert. Aber nachdem ich einige Telefonate geführt habe, musste ich feststellen, dass sogar Experten sich schwer damit tun, alles zu verstehen.

Es geht um die neue europäische Weinmarktordnung und im Besonderen um ein neues Bezeichnungsrecht, mit dem sich zurzeit alle Akteure der Weinwirtschaft befassen. Was kommt auf die Winzer und vor allem auf die Verbraucher zu? So richtig weiß das noch niemand.

Nur so viel konnte ich bislang in Erfahrung bringen: Die deutschen Qualitätsweinbezeichnungen wie Qualitäts- und Prädikatswein, Kabinett, Spät- und Auslesen können weiter verwendet werden. Das ist nicht selbstverständlich. Nur den zähen Verhandlungen der deutschen Seite ist es zu verdanken, dass diese Begriffe weiterhin Bestand haben. Aber: Die EU will europaweit langfristig anstelle des germanischen das romanische Bezeichnungsrecht etablieren. Dieses stützt sich nicht so sehr auf die Qualität des Produktes, sondern auf dessen Herkunft. Nehmen wir als Beispiel die Bezeichnung "Wehlener Sonnenuhr". Heute kann man beispielsweise schreiben: "Wehlener Sonnenuhr Spätlese". In Zukunft kann nun der Name dieser Lage als Ursprungsbezeichnung geschützt werden. Und damit fängt die Schwierigkeit an: Verschiedene Interessengruppen können diese Ursprungsbezeichnung beantragen (ein im Übrigen sehr kompliziertes und langwieriges Verfahren) und müssen für diese Weine bestimmte Kriterien festlegen. Diese sind unter anderem eine geschmackliche Beschreibung des Weins, seine analytischen Eigenschaften, der Hektarertrag, die Rebsorte. Winzer, die in der Wehlener Sonnenuhr Weinberge besitzen und sich diese Lage nun schützen lassen wollen, müssen sich also einigen. Wer die Moselaner kennt, weiß, dass dies nicht ganz einfach wird. Auch bei der vom Weinbauverband Mosel gewünschten Ursprungsbezeichnung "Mosel Steillagen Riesling" wird dies nicht so einfach sein. Und das sind nur einige wenige der Möglichkeiten, die das neue Bezeichnungsrecht eröffnet. Hinzu kommt: Wer sagt, dass ein geschützter neuer Weinbegriff beim Verbraucher ankommt? Unklar ist ferner, ob bei einem "Wein mit geschützter Ursprungsbezeichnung" zusätzlich auf dem Etikett die Begriffe Qualitätswein/Prädikatswein verwendet werden können. Und all diese Beispiele sind nur ein kleiner Teil vieler offener Fragen.

Mit dem neuen Recht kommt jetzt vieles auf den Prüfstand, und in Sachen Weinbezeichnung wird viel Neues möglich sein. Doch neue Weinbegriffe machen nur dann Sinn, wenn dahinter ein Qualitäts- und Produktkonzept steht, sie einer Logik folgen und vor allem der Verbraucher sie akzeptiert. Die Weinwirtschaft ist also gut beraten, jetzt nichts zu überstürzen, sondern in aller Ruhe über mögliche Veränderungen zu diskutieren und dann zu entscheiden.

w.simon@volksfreund.de

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