Christen in Indien

WITTLICH. (red) Die Situation der Christen in Indien beleuchtete Pater Sijoy Thevarakatt im Wittlicher Markus-Haus. Der aus Indien stammende Karmelitenpater ist zurzeit zu einem halbjährigen Praktikum in Wittlich eingesetzt, um die deutsche Kirche besser kennen zu lernen. Zu seinem Bericht über die indische Kirche hatte der Bezirk Mittelmosel des Kolpingwerkes eingeladen.

Über 1,03 Milliarden Menschen zählt die Republik im Indischen Ozean. Davon sind 2,4 Prozent Christen, 80,3 Prozent Hindus und elf Prozent Moslems. Unter den Christen gibt es zahlreiche Trennungen und Zugehörigkeiten zu verschiedenen kirchlichen Traditionen. Pater Sijoy kommt aus dem indischen Unionsstaat Kerala, dort ist am meisten die Syro-Malabarische Kirche vertreten, deren Wurzeln auf den Apostel Thomas zurückgehen. Die indisch-christliche Kirche ist somit älter als die meisten europäischen christlichen Kirchen, ihre 3,8 Millionen Mitglieder nennen sich auch Thomas-Christen. Über Jahrhunderte hatten sie keinen Kontakt zu Rom und entwickelten ihren eigenen authentischen Ritus. Als Mitte des 16. Jahrhunderts der jesuitische Missionar Franciscus Xaverius nach Indien kam, begann eine lange Zeit der Fremdbestimmung und der gewaltsamen Latinisierung. Diese gewaltsame Re-Missionierung der indischen Christen und die permanente Missachtung ihrer 1600 Jahre alten Tradition führte 1653 zum Bruch mit Rom. 1662 kehrte ein Teil wieder zur römischen Kirche zurück, der größte Teil der verbliebenen Christen trat 1665 zum syrisch-orthodoxen Patriarchat von Antiochien über. Der syro-malabarische Ritus gehört zu den drei Riten der katholischen Kirche Indiens. Er ist tief in der indischen Kultur verwurzelt, was sich zum Beispiel bei den mit Geburt, Eheschließung, Krankensalbung und Tod verbundenen Riten sowie der Architektur der Kirchen zeigt. Die Kirche unterhält mehrere hundert Schulen und Hochschulen, über tausend Kindergärten und einige hundert Ausbildungs- und Weiterbildungszentren. Dadurch wurde in Kerala eine fast 95-prozentige Alphabetisierung erreicht, während die Analphabetenquote in Indien 1991 bei 45 Prozent lag. Weiter sprach Pater Sijoy auch über das Kastensystem, über gesellschaftliche Strukturen und das Leben der indischen Familien. Die Zuhörer, die dem Vortrag interessiert gefolgt waren, hatten noch eine Menge Fragen: "Wie ist das mit den heiligen Kühen?" "Wie ist die Stellung der Frau?" "Vermischen sich die einzelnen Kasten und Religionen durch Eheschließung?" "Wie ist es mit der Religionsfreiheit?" und viele andere. Pater Sijoy versuchte alle Fragen zu beantworten. Eine Informationswand über die Arbeit des Kolpingwerkes in Indien und Bilder einer Reise durch Indien vervollständigten den Vortrag. Der Nachmittag schloss mit einem Gottesdienst in der Markuskirche, wo Pater Sijoy zum Abschluss ein Marienlied der syro-malabarischen Christen sang.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort