Eigentlich sollte ich glücklich sein. Aber ich habe heute noch eine entsetzliche Wut auf meinen Vater. Er tyrannisierte unsere ganze Familie. Er vermöbelte uns Kinder wegen der kleinsten Fehler. Er schlug auch meine Mutter. Das ,Vater unser' kann ich nicht beten. Immer taucht dann das Bild meines tyrannischen Vaters auf. An einen gütigen Gott kann ich nicht glauben."

Ich habe ihr so geantwortet: "Dass Sie an einen gütigen Gott nicht glauben können und dass beim ,Vater unser' das Bild Ihres gewalttätigen Vaters auftaucht, ist gut nachzuvollziehen. Die ganze Geschichte, vor allem der ersten Erfahrungen mit unseren Vätern und Müttern prägt ja unser ganzes Verhalten zum Leben überhaupt und wirkt sich aus auch in den Bildern von Gott als dem Inbegriff des Lebens. So sehr Sie und sicher auch Ihre ganze Herkunftsfamilie durch das gewalttätige Verhalten Ihres Vaters tief verletzt wurden, gibt es dennoch in der menschlichen Psyche so etwas wie Urbilder des Vaters und der Mutter, die positiv besetzt sind und deswegen als liebenswürdig empfunden werden. Vermutlich sind sie der unbewusste Grund dafür, dass Sie selber den Mut fanden, eine Familie zu gründen und dort ein anderes Vater- und Mutterbild in die Realität umzusetzen versuchen. Auf die Kraft dieser positiven Urbilder sich immer wieder einzulassen und sie bewusst in sich hineinfallen zu lassen, setzt die heilenden Kräfte frei, nach denen Sie sich sehnen und die vielleicht auch dazu führen, die Wut auf Ihren Vater zu vermindern und ihn in Ihrer Gottesbegegnung allmählich zu vergessen." Ob der Frau diese Antwort geholfen hat? Ich hoffe es!

Pater Franz-Josef Janicki gehört der Steyler Mission an und ist im Missionshaus St. Paul in Wittlich-Wengerohr tätig.