Damit kein Kind in den Brunnen fällt

Abschrecken allein hilft nicht: Wer Kinder vor der Versuchung von Drogen oder dem Hang zur Gewalttätigkeit schützen will, muss auch das Selbstbewusstsein der jungen Leute stärken. Die Kurfürst-Balduin-Realschule Wittlich hat deshalb ein Präventionskonzept entwickelt, das sie mit Profis von Polizei und Caritas umsetzt.

 An der Kurfürst-Balduin-Realschule arbeiten Eltern, Lehrer, Fachkräfte und Schüler im Präventionsforum zusammen (von links): Susanne Teusch (Mutter), Christian Thiel von der Caritas, Hubert Lenz von der Polizei, Matthias Pesch und Jürgen Moog (beide Verbindungslehrer), Jutta Böhm (Mutter), Schulleiterin Marlies Zachau-Zeies, Robert König (Vater) sowie Daniela Stirn und Ulla Sander (Lehrerinnen). TV-Foto: Dagmar Schommer

An der Kurfürst-Balduin-Realschule arbeiten Eltern, Lehrer, Fachkräfte und Schüler im Präventionsforum zusammen (von links): Susanne Teusch (Mutter), Christian Thiel von der Caritas, Hubert Lenz von der Polizei, Matthias Pesch und Jürgen Moog (beide Verbindungslehrer), Jutta Böhm (Mutter), Schulleiterin Marlies Zachau-Zeies, Robert König (Vater) sowie Daniela Stirn und Ulla Sander (Lehrerinnen). TV-Foto: Dagmar Schommer

Wittlich. Zwölfjährige, die genüsslich an einem Joint ziehen, sind leider keine Seltenheit mehr, und die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen nimmt "Besorgnis erregend" zu, wie die Kriminalpolizei Wittlich in ihrer Bilanz herausstellte (der TV berichtete mehrfach). Eine traurige Entwicklung, vor der auch die Schulen nicht ihre Augen verschließen können. Frei nach dem Motto "vorbeugen ist besser als heilen" gibt es inzwischen fast an jeder Schule Präventionsarbeit, die die Kinder für Themen wie Drogen und Gewalttätigkeit sensibilisieren soll. Auch die Kurfürst-Balduin-Realschule Wittlich bildet seit mehr als fünf Jahren Schüler zu "Streitschlichtern" aus und beteiligt sich am "Lions Quest"-Programm, das darauf abzielt, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken. "In dieser Form einzigartig im Kreisgebiet"

"Früher wurde eher mit Abschreckung gearbeitet. Heute geht es in der Präventionsarbeit auch darum, das Selbstbewusstsein zu stärken, so dass die Kinder weniger anfällig für Drogen sind", erklärt Christian Thiel von der Suchtberatung der Caritas Wittlich. Zusammen mit Hubert Lenz, Jugendbeauftragter der Polizeidirektion Wittlich, engagiert er sich bereits seit mehr als zwei Jahren im "Forum für Gewalt- und Suchtprävention" der Realschule. Thiel: "Das ist wirklich vorbildlich an dieser Schule und in dieser Form auch einzigartig im Kreisgebiet." Im Präventions-Forum arbeiten Lehrer, Schüler und Eltern mit den beiden Fachkräften von Polizei und Caritas zusammen und haben einzelne Programme und Angebote zu einem umfangreichen Konzept kombiniert, das alle Schüler von der fünften bis zur zehnten Klasse systematisch in die Präventionsarbeit einbezieht. "Wir wollten weg von dem Gedanken ,heute machen wir mal eine Stunde was zur Suchtprävention' hin zu einem Konzept, das einzelne Bausteine systematisch miteinander vernetzt", erklärt Matthias Pesch, der zusammen mit seinem Kollegen Jürgen Moog als Verbindungslehrer das "Präventions-Forum" leitet. Die Anregung dazu war aus der Elternschaft gekommen. Nicht etwa, weil Drogen und Gewalt an der Wittlicher Schule besonders verbreitet wären, sondern weil die Eltern ihre Kinder wappnen wollen, damit sie Drogen widerstehen und Konflikte friedlich lösen lernen. Über die Beteiligung der Eltern am Präventions-Forum freut sich auch Schulleiterin Marlies Sachau-Zeies, die darin ein positives Gegenbeispiel für den oft beklagten "Rückzug der Eltern aus der Erziehung" sieht. Neben dem Streitschlichter- und "Lions Quest"-Programm bietet die Schule nach ihrem kürzlich fertig gestellten Präventions-Konzept auch Raucher-Entwöhnungskurse für Schüler oder Elternkurse zu Themen wie "Hilfe mein Kind pubertiert" an. Herzstück des Konzepts ist die Kombination verschiedener Module wie Einführungswochen, Multiplikatorenschulungen, Themenabende und Projekttage zu einem Masterplan, der dafür sorgt, dass vom Fünftklässler bis zum Zehntklässler sich jeder auf seine Weise mit Sucht- und Gewaltproblematik auseinande setzt. Zudem wurde ein Interventionsmodell entwickelt, um möglichst früh zu erkennen, wenn ein Schüler erste Anzeichen von Drogen- oder Gewaltproblemen zeigt. Das Konzept soll im Präventions-Forum ständig erweitert und ergänzt werden. Derzeit läuft gerade die Bewerbung zum bundesweiten Projekt "Schule ohne Rassismus". Meinung Lernen fürs Leben Dass Schulen heute so offensiv Sucht- und Gewaltprävention betreiben wie die Wittlicher Kurfürst-Balduin-Realschule, ist an sich schon ein Gewinn. Denn noch vor einigen Jahren waren Drogen- und Gewaltprävention nicht unbedingt die Themen, mit denen sich Schulen gerne schmückten. Zu groß war die Befürchtung, dass ein entsprechendes Engagement leicht missverstanden werden könnte und die Schule dann als besonders "drogenverseucht" in Verruf bringen würde. Dabei ist es genau umgekehrt: Erfolgreiche Präventionsarbeit schiebt Drogen und Gewalt auf den Schulhöfen einen Riegel vor und hilft, entsprechende Probleme bei Schülern frühzeitig zu erkennen. Gut, dass dies inzwischen erkannt wurde und ein Sinneswandel an den Schulen stattgefunden hat, der einen offensiven Umgang mit solch drängenden Problemen erlaubt. So können Schüler dank intensiver Präventionsarbeit fürs Leben lernen - und zwar für das Leben, wie es sie nach ihrer Schulzeit erwartet. Und nicht etwa für die heile Welt, in die sich noch vor Jahren Lehrer wie Eltern nur allzu gerne geflüchtet haben - mit der traurigen Folge, dass jene Kinder, für die die Welt noch nie so heil war, ihren Problemen nicht selten völlig allein ausgeliefert waren. d.schommer@volksfreund.de

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