Das Andenken bewahren

Luxemburg/Wittlich/Greimerath · Vor 70 Jahren wurden die ersten Autobahnen in Deutschland gebaut - mit Hilfe von Zwangsarbeitern, die unter anderem auch bei Greimerath tätig waren. Der Luxemburger Karl Juda war einer davon. Sein Sohn will daran erinnern.

 Ortsbürgermeister Werner Fries, der ehemalige Ortsbürgermeister Josef Schuh und Gemeinderat Bernd Linden zeigen ein Gelände, auf dem früher Kies für die Autobahn gelagert wurde. TV-Foto: Hans-Peter Linz

Ortsbürgermeister Werner Fries, der ehemalige Ortsbürgermeister Josef Schuh und Gemeinderat Bernd Linden zeigen ein Gelände, auf dem früher Kies für die Autobahn gelagert wurde. TV-Foto: Hans-Peter Linz

Luxemburg/Wittlich/Greimerath. Karl Juda war ein Bürger des luxemburgischen Orts Befort wie alle anderen auch. Nachdem Deutschland Luxemburg im zweiten Weltkrieg besetzt hatte, musste er eine gelbe Armbinde tragen - denn er war Jude. Er weigerte sich und zog sie stattdessen seinem Hund um den Hals. Für diese Provokation der Nazis musste er ins Arbeitslager - nach Greimerath.
Seinem Sohn Henri ist das Andenken an diese Zeit wichtig. Die damaligen Machthaber setzten Karl Juda als Zwangsarbeiter beim Bau des Teilabschnittes der Reichsautobahn zwischen Hasborn und Wittlich ein. In einem Zeitzeugeninterview, das im Luxemburger Nationalarchiv aufbewahrt ist, erzählt er davon, dass er in Greimerath (Landkreis Bernkastel-Wittlich) als Zwangsarbeiter in einem Arbeitslager war. Dort habe er mit 50 Luxemburger Juden ab September 1941 gearbeitet. Der gelernte Landwirt Juda überlebt die Schrecken des Holocaust, kehrt nach Luxemburg zurück und arbeitet als Tuchhändler. In den 1950er Jahren eröffnet er ein Textilgeschäft in Bitburg.
Sein Sohn Henri stellt fest, dass es auf der Internetseite des Eifelortes Greimerath jedoch keinen Eintrag über Zwangsarbeiter gebe, die für die Nazis gearbeitet haben. Und schließlich werde am Sonntag - einmalig in Deutschland - ein Mahnmal über die Zwangsarbeit in der Autobahnkirche Wittlich enthüllt.
Wolfram Viertelhaus, der sich im Arbeitskreis "Jüdische Gemeinde Wittlich" engagiert, bestätigt Judas Forschungen. Auch Juden aus Luxemburg hätten in Außenlagern des KZ Hinzert in Dorf, Flußbach, Niederöfflingen und auch in Greimerath an der Reichsautobahn gebaut.
Der 1933 geborene Josef Schuh, ehemaliger Ortsbürgermeister Greimeraths, erinnert sich schwach an diese Zeit, in der in seiner bis dahin beschaulichen Heimat die Bautrupps tätig waren. Die Autobahn sei eine Aufmarschstrecke gegen Frankreich gewesen, erzählt er. Damals seien Lose an Bauunternehmen vergeben worden, die Teilstücke der Autobahn bauen konnten. Um 1938 sei das Teilstück Hasborn-Wittlich/Dorf gebaut worden. Das Areal an der Baustelle sei nach dem Krieg als Munitionslager der französischen Armee genutzt worden. Heute sei dort in der Nähe der Autobahnparkplatz Flußbach.
"Da war in dieser Gegend viel los, unzählig viele Arbeiter waren da tätig. Uns wurde immer erzählt, dass das Kriminelle waren", sagt Schuh. Ob Juden dabei gewesen seien, wisse er nicht, das habe man sich damals auch nicht getraut zu fragen. An Baracken kann er sich nicht mehr erinnern. Heute sind keine Überreste mehr zu finden. Lediglich an einer Senke habe man später beim Pflügen öfter Kieselsteine gefunden. So sei anzunehmen, dass an dieser Stelle ein Kieslager für den Autobahnbau war, erzählt Schuh. Wo vor über 70 Jahren Tausende von Arbeitern tätig waren, ist heute verschneiter Wald zu sehen, im Hintergrund weht der Lärm der Autobahn heran.
René Richtscheid, Geschäftsführer des Emil-Frank-Instituts, das sich mit der jüdischen Geschichte befasst und neben der Stadt Wittlich, dem Arbeitskreis Jüdische Gemeinde und dem Förderverein an der Errichtung des Mahnmals beteiligt war, kennt die Situation: "Es gab in vielen Dörfern Lager. Wir müssen davon ausgehen, dass es ein Lager bei Greimerath gab. Man muss nun aber ermitteln, welcher Qualität das Lager war. Es gab viele Typen, vom reinen Strafgefangenenlager über Frauenlager bis zum KZ-Außenlager. Derzeit ist die Lage noch verwirrend und wir müssen noch viele Daten aufbereiten." Es sei eben ein hochsensibles Thema. Ein Dorf, das seine Geschichte erforscht habe, stünde in der Regel besser da als eines, das dies nicht tut.
Inzwischen hat der Greimerath er Gemeinderat Bernd Linden Henri Juda eingeladen, um die Vergangenheit gemeinsam aufzuarbeiten. Ein Treffen ist bereits geplant.
Das Mahnmal in der Autobahnkirche St. Paul, Wittlich-Wengerohr, wird am Sonntag, 27. Januar, um 17.30 Uhr enthüllt. Um 19 Uhr gibt es einen ökumenischen Gottesdienst.

Zeitzeugen gesucht: Können Sie sich an ein solches Lager erinnern, oder haben Sie ein Foto? Dann können Sie sich bei der Wittlicher Redaktion melden: E-Mail: hp.linz@volksfreund.de ,
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Trierischer Volksfreund,
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54516 Wittlich

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