Das Ende einer Ära: Lütticken am Markt schließt

Wittlich · Eine Familien- und Geschäftstradition in Wittlich endet. Seit 156 Jahren gibt es das Haushaltswarengeschäft mit dem Namen Lütticken in der Innenstadt, seit 1908 am Marktplatz und auf der aktuellen Fläche seit 40 Jahren. Ursula und Franzkarl Lütticken schließen aus Altersgründen.

 Franzkarl und Ursula Lütticken beenden mit dem Räumungsverkauf ihr Berufsleben, das im Zeichen des Dienstes an den Kunden stand. TV-Foto: Klaus Kimmling

Franzkarl und Ursula Lütticken beenden mit dem Räumungsverkauf ihr Berufsleben, das im Zeichen des Dienstes an den Kunden stand. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Räumungsverkauf bei Lütticken am Markt! Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Das Geschäft gehört zum Marktplatz so wie das Alte Rathaus.
Doch der Entschluss steht: Ursula und Franzkarl Lütticken gehen, wie man salopp sagen kann, auf die 75 zu und hören aus Altersgründen auf. Seit ihrer Hochzeit vor 49 Jahren stehen sie im Geschäft. "Wir haben uns gerne reingekniet aus Freude am Beruf", sagt Ursula Lütticken. "Und wir sind der Meinung, jetzt wäre es an der Zeit, aufzuhören", sagt ihr Mann.
Alle sechs Jahre umgebaut


Urlaub vom Geschäft gab\'s nicht. In den vergangenen neun Jahren beispielsweise hatten die beiden keine Ferien. Und im Glauben an die Wittlicher Innenstadt haben sie nicht nur viel Zeit für ihre Kunden investiert. Alle sechs Jahre haben sie umgebaut, modernisiert, zuletzt 1995, 2000 und 2006, aktuell haben sie noch 245 Quadratmeter Verkaufsfläche, früher waren es 380. Alle 14 Tage kam neue Ware ins Schaufenster. Für die exklusive Dekoration sorgte Ursula Lütticken. "Sie war schließlich auf der Werkkunstschule", sagt Franzkarl Lütticken. Besonders zur Weihnachtszeit inszenierte sie prächtige Welten feiner Dinge aus Porzellan, Glas, Besteck, festlichem Tischschmuck. Und mittendrin: eine Eisenbahn - oft die einzige in der Innenstadt. "Heute war schon eine Frau mit ihrem Enkel da und hat nach ihr gefragt. Leider ist sie defekt. Aber unseren Nikolaus, den haben wir bestimmt schon 40 Jahre: Der kommt noch mal", sagt Ursula Lütticken.
Sie begrüßt eine Kundin. Die Dame sagt : "Wie schade, dass Sie aufhören. Zu Weihnachten oder für Geburtstage habe ich bei Ihnen doch immer etwas Schönes gefunden." Und sie wurde vermutlich immer mit Namen begrüßt, wie so gut wie jeder, der einmal durch die Tür kam. "Meine Frau hat ein fulminantes Namensgedächtnis. Und sie kann Gesichtern Geschirr zuordnen", sagt Franzkarl Lütticken. Wilfried Müller kommt hinzu. Er hat das Konzept für den Ausverkauf entwickelt. Er sagt: "Mit Räumung ist kein Schönheitspreis mehr zu gewinnen. Und bald wird auch das Sortiment zerrupft sein." Das Sortiment mit großen Marken hat das Ehepaar mit Geschmack und Gespür stets selbst zusammengestellt. "Wir waren auf allen Messen. Der Kunde will immer Neues sehen. Gottseidank haben wir nie grundlegend danebengelegen. Dabei haben wir uns schon unseren Stil bewahrt\'", sagt die Geschäftsfrau, die ergänzend zur Ware gute Beratung, Fachkenntnis und Service für unerlässlich hält.
So waren Lüttickens Pioniere in Sachen "Hochzeitstisch", boten früh Kochvorführungen und bauten dazu auf ein Wertebewusstsein, das es in Zeiten einer Wegwerfgesellschft schwerhat: "Lieber ein Teil weniger, aber ein gutes Teil." Das allerdings scheint teils auch heute noch zu gelten. Ursula Lütticken hat im Zuge des Kochtrends festgestellt: "Seitdem beschäftigen sich mehr Männer mit diesem Thema. Und die kaufen nur bestes Handwerkszeug."
Fast 50 Jahre hat das Ehepaar nun das Wittlicher Fachgeschäft für Glas, Porzellan, Hausrat und Geschenke geführt. Was es danach macht? Sich um die vier Enkelkinder kümmern, vielleicht Vorlesungen für Senioren hören.
Und sie haben eins auf dem Herzen. Sie haben den Satz extra aufgeschrieben: "Das Ehepaar Lütticken wünscht allen Kollegen in unserer schönen Innenstadt weiterhin Erfolg und treue Kunden."
2000 Stammkunden informiert


Er selbst hat per Brief 2000 Stammkunden informiert, für einige ist der Kauf bei Lütticken eine Familientradition, weil das Wittlicher Geschäft stets besondere Ware angeboten hat.
Vor mehr als 100 Jahren gab es dort beispielsweise erstmals feinstes Porzellan aus Meißen. Es wurde noch per Bahn und Pferdefuhrwerk aus Sachsen bis zum Wittlicher Marktplatz geliefert: Großmutter Martha hatte damals schon ein Faible für besondere Spitzenqualität und ihre Kunden auch.
Ganz endet die Lütticken-Tradition nicht: In Trier führt Sohn Christian sie fort, ein Standort, der mehr Zukunft fürs Geschäft versprochen hat.

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