Das Fass ins Rollen gebracht

BITBURG · Dass Bitburger längst Deutschlands Fassbiermarke Nummer eins ist, verdankt das Unternehmen auch dem steigenden Ausbau der Vertriebswege. Dabei war die Ausgangslage in der Eifel für eine solche Entwicklung alles andere als optimal.

 Ab 1910 transportiert die Brauerei ihr Pils in eigenen Waggons. Foto: Bitburger

Ab 1910 transportiert die Brauerei ihr Pils in eigenen Waggons. Foto: Bitburger

Foto: Uwe Hentschel (uhe) ("TV-Upload Hentschel"
 Bierkutscher liefern das Pils in Holzfässern an. Foto: Bitburger

Bierkutscher liefern das Pils in Holzfässern an. Foto: Bitburger

Foto: Uwe Hentschel (uhe) ("TV-Upload Hentschel"

BITBURG Hätte Johann Peter Wallenborn geahnt, welche Entwicklung er mit seiner Idee anstößt, hätte er sich wahrscheinlich einen anderen Standort gesucht als Bitburg. Die Eifel war nie der Nabel der Welt - vor 200 Jahren erst recht nicht.
Ausgerechnet in einer solch dünn besiedelten und darüber hinaus auch noch armen Gegend ein Bier über die Grenzen der Region hinaus bekannt machen zu wollen, ist schon recht ambitioniert. Wobei das zunächst auch nicht das Ziel Wallenborns ist. Der Familienvater hat eine Familie zu ernähren. Und das macht er, indem er vor dem Bitburger Schakentor eine kleine Brauerei errichtet.
In den ersten Jahren kommen die Kunden vor allem aus der näheren Umgebung, holen sich das Bier zu Fuß ab. Für lange Lagerzeiten und weite Transporte ist das Bier anfangs ohnehin weniger geeignet, da es sich um obergäriges Bier handelt. Und dessen Haltbarkeit ist nun mal sehr begrenzt.
Nachdem einige Jahre später die ersten auswärtigen Konzessionen vergeben werden, wird das in Holzfässern abgefüllte Bier zunehmend von Pferdewagen abgeholt. Mit Theobald Simon, dem Vertreter der dritten Generation, richtet die Brauerei einen eigenen Versand ein. Simon beliefert von nun an die Gastwirte mit seinen eigenen Pferdefuhrwerken. Durch den stetig steigenden Absatz steigen auch die Kosten für die Pferdehaltung, weshalb sich Simon schon früh für den Bau einer Zugverbindung nach Bitburg einsetzt. Entscheidend für die weitere Entwicklung des Unternehmens ist aber noch eine andere Veränderung: Simon setzt ab 1879 auf das neu eingeführte untergärige Brauverfahren.
Das ist zwar in der Herstellung und Lagerung weitaus aufwendiger, hat dafür aber den Vorteil einer deutlich längeren Haltbarkeit, wodurch es nun auch über weitere Strecken transportiert werden kann.
Die Eisenbahnstrecke zwischen Köln und Trier ist zu diesem Zeitpunkt bereits in Betrieb. Allerdings hat Bitburg zunächst keinen eigenen Bahnhof.
Für die sechs Kilometer bis zum Erdorfer Bahnhof, von wo aus das Bier dann per Schiene ins Rheinland transportiert wird, ist Simon also nach wie vor auf seine Pferdefuhrwerke angewiesen. Worüber sich der Unternehmer auch sehr ärgert, wie aus einem Schriftstück aus dem Jahr 1907 hervorgeht: "Hätte ich meine Brauerei in Köln, Herne, Essen, Düsseldorf, Solingen oder Saarbrücken, so könnte ich meine ganze Produktion bequem mit sechs Pferden vertreiben, während ich gezwungen bin, 30 Pferde zu halten", kritisiert Simon.Bei Kosten von 1,32 Reichsmark pro Hektoliter Bier sind das immerhin 30 000 Reichsmark pro Jahr. 1910 wird dann endlich die lang ersehnte Bahnstrecke Erdorf-Bitburg fertiggestellt und in Betrieb genommen.
Für den Fernverkehr schafft sich die Brauerei einen ersten Bierwaggon an, im Jahr darauf folgt ein weiterer. Der Anschluss an das Schienennetz ermöglicht der Brauerei die Erschließung neuer Absatzmärkte. Gleichzeitig sorgt die Brauerei auch auf dem herkömmlichen Vertriebsweg für Veränderung, indem sie 1914 einen ersten Lastwagen anschafft.
Der Viertonner mit 30 PS und Vollgummibereifung läutet die Veränderung des Fuhrparks ein. Nach und nach werden die Pferdekutschen durch Lastwagen ersetzt. Dadurch, dass die Brauerei ihren Absatz immer weiter steigert und ab Beginn der 1940er Jahre als inzwischen anerkannte deutsche Ausfuhrbrauerei auch Bier im Ausland verkaufen darf, wird der Fuhrpark stetig größer. Das ändert sich allerdings während des Zweiten Weltkriegs, weil zunächst Fahrzeuge beschlagnahmt und gegen Kriegsende der Rest auch zerstört werden. Letzteres gilt auch weitgehend für die Brauerei, die nach dem Krieg ihren Vertrieb und Fuhrpark wieder komplett neu aufbauen muss.
Mit dem Deutschen Wirtschaftswunder, von dem auch die Brauerei profitiert, geht es wirtschaftlich recht schnell wieder aufwärts. Doch trotz der PS-starken Konkurrenz auf Straßen und Schienen sind auch weiterhin noch Pferde im Einsatz - wenngleich zum Ende hin auch eher aus nostalgischen Gründen.
So werden bis Mitte der 1970er Jahre innerstädtische Versorgungsfahrten noch mit dem letzten verbliebenen Pferdefuhrwerk erledigt. "Auf unseren Touren wurden wir oftmals von den hier stationierten GIs fotografiert", erinnert sich der ehemalige Bierkutscher und Staplerfahrer Walter Bunk in der jüngst veröffentlichten Chronik der Bitburger Brauerei.
"Leider war die Arbeit auf dem Kutschbock nur von kurzer Dauer, da wir für den wachsenden Autoverkehr schon ein Hindernis waren", so Bunk. Bis 1976 sitzt er gemeinsam mit seinem Kollegen Johann Kockelmann auf dem Kutschbock. Dann gehen schließlich die beiden letzten Brauereipferde Pierre und Max in den Ruhestand.

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