Das kleine Kaufhaus-Experiment

Bernkastel-Kues · Dass Einzelhändler einzeln handeln, ist ihr Kerngeschäft. In Bernkastel-Kues startete 2004 ein Projekt, das auf konkrete Zusammenarbeit setzt: das Bernkast\'ler Fenster. Ziel war, einen Leerstand am Bärenbrunnen in Bernkastels Altstadt zu beenden. Zwölf Betriebe machen mit. Das Konzept geht nicht nur bei den Kunden auf: Es hat bereits mehrere Auszeichnungen erhalten.

 Marlene Anton, eine der Mitarbeiterinnen im Bernkast'ler Fenster, legt letzte Hand an die Präsentation des vielfältigen Sortiments. TV-Foto: Marita Blahak

Marlene Anton, eine der Mitarbeiterinnen im Bernkast'ler Fenster, legt letzte Hand an die Präsentation des vielfältigen Sortiments. TV-Foto: Marita Blahak

Bernkastel-Kues. In einem Raum durch unterschiedliche Geschäfte bummeln: Das kennen Kunden aus großen Einkaufszentren. Das funktioniert auch im Kleinen ohne große Ketten mit klassischen Einzelhändlern. Das beweist das Bernkast\'ler Fenster.
So nennt sich eine Art Spezialgeschäft in Bernkastels Altstadt. Die Idee entstand 2004 und ist eine, die man aus der Not geboren nennen kann: Um den Leerstand in einem großen Geschäftshaus im historischen Stadtkern von Bernkastel zu beenden, entstand ein Kooperationsprojekt zwischen den verschiedenen Einzelhändlern. Initiiert hat das Projekt die Entwicklungsagentur der Stadt.
Ursprünglich als reine Ausstellung zur Information eingerichtet, entwickelte es sich schnell zum Verkaufshaus. "Die Kunden wollten sich nicht nur informieren, sondern auch gleich vor Ort einkaufen", sagt Eva Biermann von der Entwicklungsagentur und zuständig fürs Bernkast\'ler Fenster im Rückblick. Die Konzeption hat sich zu einem wortwörtlich ausgezeichneten Erfolgsmodell entwickelt (siehe Extra).
Entwicklungsagentur zahlt nichts


Es kommt bei den Kunden an, und die zwölf beteiligten Geschäfte profitieren ebenfalls. Nicht selten zieht das Fenster Verkaufskreise bis in die Ursprungsläden der teilnehmenden Betriebe. Das heißt, was die Kunden des Fensters im Sortiment der unterschiedlichen Branchen entdecken, macht sie neugierig auf das jeweilige Spezialgeschäft im Ort.
"Ein Superkonzept", sagt zum Beispiel Hannelore Mich aus Veldenz. Die Inhaberin einer Pension ist mittlerweile Stammkundin: "Hier kann man sich ungezwungen umschauen, einkaufen und findet immer wieder neue Anregungen." Das Angebot des kleinen Warenhauses reicht von Kosmetik und Brillen, Wein- und Wohnaccessoires, Büchern, Porzellan und Mode bis zum Möbelstück.
Drei Frauen arbeiten im Geschäft: eine Festangestellte mit 100 Stunden im Monat und zwei 400-Euro-Kräfte. "Das Personal ist bei der Entwicklungsagentur angestellt, wird jedoch monatlich mit den Akteuren abgerechnet, so dass der Entwicklungsagentur keine Kosten entstehen", erklärt Iva Menzel.
Auf TV-Nachfrage sagt sie weiter: "Leider kann ich Ihnen keine Angaben zum jährlichen Umsatz machen." - "Warum denn nicht?" - "Es ist aber so, dass wir kontinuierlich den Umsatz halten beziehungsweise sogar steigern können und dass die Akteure, also Händler, mit ihren Zahlen zufrieden sind." Mitarbeiterin Marita Petry spricht von rund 200 Menschen, die wöchentlich im "Fenster" einkaufen. Dass viele Anbieter ihr unterschiedliches Sortiment unter einem Dach präsentieren, erspare dem Kunden Zeit, heißt es. Auch bei Touristen kommt das Angebot in der Altstadt, das Branchengrenzen aufhebt, an. "Meine Gäste sind begeistert vom Bernkast\'ler Fenster", sagt Hannelore Mich. mbl
Extra

2007 zeichnete Bundespräsident Horst Köhler die Entwicklungsagentur mit ihrem Projekt Bernkast\\'ler Fenster aus: Als einer von "365 Orten im Land der Ideen" machte Bernkastel-Kues so auf sich aufmerksam. Ein weiterer bedeutender Erfolg war die Nominierung für den Handels-Innovationspreis (H.I.P. ) 2008. Das Bernkastler Fenster belegte den 2. Platz. Die H.I.P.-Jury bezeichnete das Projekt als vorbildlich, um den inhabergeführten Einzelhandel zu fördern. Damit lag auch zum ersten Mal in der Geschichte des H.I.P. ein rheinland-pfälzisches Unternehmen ganz vorne. Von den Betrieben des Bernkast\\'ler Fensters kommen acht aus der Stadt Bernkastel-Kues und vier von außerhalb. Alle Betriebe sind Mitglied in der Entwicklungsagentur. Weitere Infos: www.entwicklungsagentur-bernkastel-kues.de mbl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort