Das Klischee mit den Kahlköpfen

WITTLICH. (bec) Alle Nazis tragen Glatze, Springerstiefel und Bomberjacken? Weit gefehlt! Rechtsextreme bedienen sich mittlerweile viel subtilerer Mittel, um sich mit ihrer Szene zu identifizieren – und üben gerade damit Faszination auf Jugendliche aus.

"Musik ist das Medium der rechten Rattenfänger", sagt Musiksoziologe Lutz Neitzert im Gespräch mit dem TV. Thematisiert würde das rassistische Gedankengut dabei "in allen ideologischen Schattierungen" - sei es drastischer Hitlerkult, antisemitisch gefärbte Kapitalismuskritik oder völkische Mystik. Besonders angesagt ist laut Neitzert zurzeit die kürzlich als kriminelle Vereinigung verurteilte Berliner Combo "Landser", die sich vor allem alter Schlager bedient. "Sie verpacken unverholenen Neonazismus in bierzeltkompatible Melodien." Bekannt sei zudem die Band "Kategorie C" aus Bremen (Neitzer: "Die Kultband aller Fascho-Fußballhooligans").Jugendkultur als Medium der Rechten

Eines haben die rechten Bands gemeinsam: Sie bedienen sich längst nicht mehr nur Musik, die einfach nur aggressiv ist, sondern kommen leichter zugänglich daher als früher. Das hat durchaus Methode: Zunächst werden junge Menschen durch die Verwendung von Jugendkultur angesprochen, erst dann folgen die ideologischen Botschaften. Dasselbe gilt übrigens auch für den Kleidungsstil der Rechten. Waren sie früher meist eindeutig durch Bomberjacken, Glatzen und Springerstiefel identifizierbar, hat das Klischee des rechten Kahlkopfs mittlerweile längst ausgedient. Geheime Codes und Grauzonen

Trotzdem gibt es bestimmte Kleidungsmarken, die von Anhängern der rechten Szene bevorzugt getragen werden - ohne dass diese Firmen der Szene überhaupt nahe stehen. Dies gilt beispielsweise für Pullis und T-Shirts der Marke "Lonsdale", die sich bereits öffentlich von ihrer rechten Kundschaft distanziert hat. Anders hingegen die Marke "Consdaple": Wird über dem T-Shirt eine halb geöffnete Jacke getragen, so sind nur noch die Buchstaben "nsdap" sichtbar - ein eindeutig rassistisches Bekenntnis. Dass sich Neonazis dieser Form bedienen, ist vor allem so zu erklären: Eindeutige Symbole wie das Hakenkreuz oder der Hitlergruß sind strafbar, und so muss die rechte Gesinnung eben versteckter zur Schau getragen und in Grauzonen agiert werden. Gerade diese geheimen Codes wirken auf Jugendliche, sagt Oswald Steines, Schulsozialarbeiter an der DOS Wittlich: "Alles was geheim ist, übt eben eine gewisse Faszination aus."

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