Gericht Ein Freund mit zwei Gesichtern

Wittlich/Trier · Verbrechen, Selbstmord oder  Unfall? Das  Landgericht Trier hat der Prozess um den tödlichen Absturz einer jungen Frau von einer Dachterrasse fortgesetzt.

Das  Landgericht Trier hat der Prozess um den tödlichen Absturz einer jungen Frau von einer Dachterrasse fortgesetzt.
Foto: picture alliance / David-Wolfgan/David-Wolfgang Ebener

Was hat sich in der Nacht zum 17. August auf der Dachterrasse des Hauses Pleiner Weg 8 in Wittlich tatsächlich abgespielt? Fest steht, dass die junge Bewohnerin des Obergeschosses nach 23.30 Uhr von ihrer Dachterrasse aus 9,30 Metern Höhe in die Garageneinfahrt fiel und am Morgen um 8.30 Uhr im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erlag. Zum Zeitpunkt des Absturzes befand sich nur ihr Freund mit in der Wohnung. Erwiesen ist, dass es zwischen dem Paar einen heftigen, teils handgreiflichen Streit gegeben hatte, der im Wohungsinneren begann und sich dann auf die Dachterrasse mit ihrem nur 83 Zentimeter hohen Geländer verlagerte. Nach dem Sturz sei der Freund sichtlich verzweifelt gewesen, haben Zeugen bestätigt. Wenig später erklärte er vor der Polizei, dass sie selbst über das Geländer geklettert wäre. Später schilderte er eine andere Version, wonach sie plötzlich aus dem Zimmer verschwunden sei. Nun sitzt der junge Mann als Angeklagter vor der Trierer Schwurgerichtskammer.

Dem heute 26-Jährigen wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Er soll nach Auffassung von Staatsanwalt Arnold Schomer die Freundin über die Brüstung gestoßen haben. Er selbst hat den heftigen Streit, der schon auf der Säubrennerkirmes begann, eingeräumt. Sein Alkoholpegel, auch das ist erwiesen, war am Abend erheblich. Zu Ohrenzeugen wurden drei Mitbewohner aus dem Haus. Sie schildern am jüngsten Verhandlungstag, wie die Auseinandersetzung im Obergeschoss eskalierte und sich schließlich auf die Terrasse verlagerte. „Dann hörten wir drei laute Hilferufe der Frau und kurz darauf einen lauten Knall. Dann lag sie unten“, sagt die Zeugin, die offenbar heute noch mit dem Geschehen zu kämpfen hat.  Die Mutter der Getöteten sitzt in dem Verfahren als Nebenklägerin. Nun muss sie die Rolle wechseln und wird von der Vorsitzenden Richterin Petra Schmitz als Zeugin gehört. Die Frau macht keinen Hehl daraus, dass sie mit der Liaison ihrer Tochter mit dem Angeklagten nicht froh war. Der ständige Streit, Verletzungen bei der Tochter - „sie war hin und her gerissen“, sagt die Mutter. „Ich liebe ihn, aber er hat mehrere Gesichter“, habe die Tochter ihr einmal gesagt.

 Die Zeugin ergänzt: „Wenn er nicht getrunken hatte, war er ja umgänglich. Aber wenn, dann...“ Er habe ihr irgendwie leid getan, sie hätte ihm gerne geholfen, aber er habe ihre Hilfe nicht angenommen. In der Woche, in der es dann passierte, wollte sie der Sache ein Ende bereiten. Zunächst sollten beide bis Monatsende zu den Familien zurückkehren. Ihre Tochter sei dazu bereit gewesen. Und zu der Selbstmordversion meint die Mutter: „Sie hatte nie eine Tendenz zur Selbsttötung. Sie hatte Pläne, wollte etwas mit Tieren machen. Außerdem war sie eine Kämpfernatur. Die hat nie in ihrem Leben um Hilfe geschrieen.“ Und etwas Höhenangst habe sie gehabt. „Dass sie selbst gesprungen ist, ist für mich als Mutter undenkbar“, sagt die Zeugin.

Bleibt noch der Antrag von Verteidigerin Martha Schwiering auf ein technisches Gutachten über das nur 83 Zentimeter hohe Terrassengeländer, das auch einen Unfall nicht ausschließe. Laut Bauordnung müssten solche Geländer heute wohl über 90 Zentimeter hoch sein. Genaueres dazu sollte ein Gutachten klären. Und ihr Mandant ergänzt: „Als ich die Wohnung mal meinem Vater zeigte, hat der direkt gesagt, dieses gefährliche Geländer müsse höher sein.“ Staatsanwalt Schomer lehnt das Gutachten als überflüssig ab. Die Kammer wird darüber beraten und entscheiden.

Die Verhandlung wird am 9. März, 9 Uhr, fortgesetzt.

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