Das Rote Haus am Marktplatz

Bernkastel-Kues · Das ehemalige "Haus Wintrath" ist seit über vier Jahrhunderten ein prägendes Element des Bernkasteler Marktplatzes. In den vergangenen Jahrzehnten beherbergte der stilvolle Fachwerkbau eine Gastwirtschaft, eine Drogerie sowie eine Kolonialwarenhandlung. Darüber hinaus gab es dort eine der ersten Benzinverkaufsstellen der Stadt.

Bernkastel-Kues. Der Marktplatz von Bernkastel-Kues zählt mit seinen Fachwerkbauten aus der Zeit des Mittelalters und der Renaissance zu den reizvollsten Stadtzentren in der Region. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren viele der moseltypischen Fachwerkfassaden aus Gründen des Feuerschutzes durch einen Putz oder eine Vertäfelung verdeckt. Seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts wurde das Fachwerk der schmucken Bürger- und Geschäftshäuser freigelegt und das ursprüngliche Erscheinungsbild der Bauwerke wieder hergestellt.
Eines der schönsten Fachwerkhäuser am Marktplatz ist das ehemalige "Haus Wintrath", heute besser bekannt als "Bitchen". Auch dieses über vierhundert Jahre alte Gebäude "versteckte sich" vorübergehend hinter einer verputzten Fassade.
Stadt geschichte(n)


Zeitweise hatte das Haus einen auffälligen roten Anstrich, so dass man es lange Jahre als "Rotes Haus" bezeichnete.
In den 1950er Jahren wurde es vom Putz befreit und das prächtige Fachwerk kam wieder zum Vorschein. Im Gebäude befand sich einst eine Kolonial- und Materialwarenhandlung für den Winzerbedarf sowie eine Drogerie mit Fotogeschäft. Das Geschäft wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Familie Wintrath über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren geführt. Danach übernahmen es die Geschwister Zeller aus Bernkastel.
Am 1. März 1968 wurde dort schließlich das Bierlokal "Bitchen" eröffnet. Was man sich angesichts heutiger Brand- und Umweltschutzvorschriften kaum noch vorstellen kann: in den 1920er Jahren gab es im "Haus Wintrath" ein sogenanntes Benzin-Depot für Kraftfahrzeuge. Hier konnten die ersten Automobilbesitzer neben Auto-Ölen auch "Stellin"-Benzin (Kraftstoff der Rhenania Ossag AG) in Form von Kannen oder Kanistern erwerben. Auch bei der ehemaligen Kolonialwarenhandlung von Otto Förster am Marktplatz sowie der Drogerie Peter Koppelkamm in der alten Römerstraße gab es derartige Benzin-Depots.
Diese Depots waren Vorläufer der späteren "Tankstellen", an denen Benzin über handbetriebene oder elektrische Zapfsäulen aus großen Tanks direkt in die Fahrzeuge gepumpt wurde. Solche Tankstationen wurden in Bernkastel-Kues insbesondere von den ersten Automobilhändlern der Stadt betrieben.
Inzwischen ist die Zahl der Tankstellenbetriebe zurückgegangen. In der Zukunft sollen hingegen immer mehr Akku-Ladestationen für elektrisch betriebene Automobile errichtet werden. Ein Exemplar dieser Stationen befindet sich schon heute in der Cusanusstraße in Bernkastel-Kues.
Extra

Die erste "Tankstelle" der Welt war die Stadt-Apotheke in Wiesloch. Hier erhielt Bertha Benz, die Frau des Automobilerfinders Carl Benz, 1888 das Leichtbenzin Ligroin für das erste Automobil. Im Jahre 1909 gab es zirka 2500 Drogerien, Kolonialwarenhändler, Fahrradhandlungen, Hotels sowie Gaststätten, die Benzin anboten. Am Anfang der 1920er Jahre wurden in Deutschland die ersten Kraftstoff-Stationen und das erste Tankhaus eröffnet. 1939 stieg die Zahl der Tankstellen im Deutschen Reich auf 60 000. Im Zweiten Weltkrieg wurde nahezu die Hälfte aller Tankstellen zerstört. Am 1. Januar 2010 waren hierzulande nur noch 14 410 Tankstellen in Betrieb. phi

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