Das "Schienenhotel"

Der Staublunge von Nikolaus Molter, dem Vater von Hotelier Erwin Molter, verdankt Deuselbach das einzige Hotel des Hunsrücks direkt an einem Bahnhof. 1907 baute der gelernte Steinmetz seinen Gastronomiebetrieb direkt hinter den Bahnsteig. Erwin Molter erlebte hier als Kind die Auswirkungen beider Weltkriege, aber auch "Party auf dem Bahnsteig".

 Erwin Molter auf dem Gleis mit einer Luftaufnahme des Areals. TV-Foto: Herbert Thormeyer

Erwin Molter auf dem Gleis mit einer Luftaufnahme des Areals. TV-Foto: Herbert Thormeyer

 Ein Dampflokzug vor dem Hotel zum Erbeskopf in den 60er Jahren. Foto: privat

Ein Dampflokzug vor dem Hotel zum Erbeskopf in den 60er Jahren. Foto: privat

Deuselbach. Nikolaus Molter hatte "umschulen" müssen. Der gelernte Steinmetz mit eigenem Betrieb wurde aus gesundheitlichen Gründen Gastronom in Deuselbach. Die Baumaterialien für das Haus am Gleis kamen, wie anders, mit der Bahn. Das Abladen per Menschenkette musste schnell gehen, denn der Zug stand meist auf dem Hauptgleis.

"Bis in die späten 50er Jahre haben wir in der Gaststätte auch Fahrkarten verkauft", erinnert sich der heute 72-jährige Sohn. Später habe die Bahn das Nachlösen im Zug erfunden.

Eine seiner frühesten Erinnerungen ist für Erwin Molter, dass sich Vater Nikolaus furchtbar über die Sprengung des Viaduktes Deuselbach aufgeregt hat: "Die Brücken davor und dahinter sind doch schon gesprengt, warum also die in der Mitte auch noch?", soll er gefragt und sich damit an den Rand einer Verhaftung durch die Wehrmacht geschimpft haben.

Einige Zeit wurden französische Soldaten als Gefangene im Festsaal des Bahnhofs untergebracht. "Das hat uns wohl die Bombardierung durch die Alliierten erspart", mutmaßt Molter aus heutiger Sicht.

Die meisten Reisenden hat der Bahnhof nach dem Krieg gesehen. Später, mit den "Nostalgiezügen", gab es auch schon mal Volksfeststimmung auf dem Bahnsteig. Da spielte die Musik und Imbissbuden wurden aufgestellt. Ein Kuriosum: Das Deuselbacher Viadukt galt nach dem Wiederaufbau als nicht stabil genug für den Zug plus Passagiere. Deshalb wurden die Reisenden ein Stück mit dem Bus transportiert und durften danach erst wieder den Zug besteigen. "Den besten Hunger und Durst hatten aber die Arbeiter, die hier Holz auf die Züge luden", erinnert sich Molter.

Der eigentliche Bahnhof ist heute in Privatbesitz und wird selten genutzt. Viele Jahre war er Wanderheim des Bahnsozialwerkes. "Hotel zum Erbeskopf" steht in prächtigen Lettern auf dem Haus daneben zu lesen. "Vor dem Zweiten Weltkrieg kamen Scharen von Besuchern in Deuselbach an, die vor allem zum Kaiser-Wilhelm-Turm wollten, der schönen Aussicht über den Hunsrück wegen", erinnert sich Erwin Molter.

Neue Züge würden Erwin Molter nicht stören: "Früher kamen täglich zwölf Personenzüge und zwei Güterzüge, davon ein schneller in der Nacht". "Ob ich das noch erlebe, dass hier nochmal Züge fahren?", fragt er und meint aber: "Ein Radweg würde touristisch mehr bringen."

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