Das Schwein mit den zwei Schwänzen

Oberscheidweiler · Günter Schneider aus Oberscheidweiler erzählt eine hübsche Anekdote, die sich in seinem Elternhaus im Winter 1947 bei einer Hausschlachtung zugetragen hat.

 Der Hausschlachtung kam in den Jahren nach dem Krieg eine ganz besondere Bedeutung zu. Foto: TV-Archiv/Alois Mayer

Der Hausschlachtung kam in den Jahren nach dem Krieg eine ganz besondere Bedeutung zu. Foto: TV-Archiv/Alois Mayer

Oberscheidweiler. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war die Ernährung der deutschen Bevölkerung mehr als dürftig, viele Menschen insbesondere in den Städten hungerten. Die Lebensmittelkarten, die sie bekamen, reichten nicht aus und konnten oft nicht eingelöst werden, weil die Einkaufsläden leer waren, wobei sich diejenigen glücklich schätzen konnten, die Verwandte oder Bekannte auf dem Land hatten.
Dorf geschichte(n)


Die Bauern hatten ihre eigenen Erzeugnisse, mit denen sie gut leben konnten, obwohl sie an die französische Besatzungsmacht Rinder und Schweine sowie Kartoffeln und Getreide abliefern mussten.
Lebensmittel waren damals begehrte Hamsterartikel und Schmuggelware. Butter, Speck und Schinken, der im Gegensatz zu heute nicht fett genug sein konnte, waren besonders gefragt.
Der Hausschlachtung kam in diesen Jahren eine ganz besondere Bedeutung zu. Eigentlich konnte man nur in der kalten Jahreszeit schlachten, oft vor der Hubertus-Kirmes am ersten Novembersonntag, weil es weder Kühlschrank noch Gefriertruhe gab, um das Fleisch außer im Pökel und im Rauch aufzubewahren.
Erst als in einzelnen Dörfern Kühlhäuser entstanden, in denen man sich eine Box mieten konnte, änderten sich die Schlachttermine. Offiziell durfte nur geschlachtet werden - ganz gleich ob Rind oder Schwein - wenn man einen Schlachtschein besaß, den die französische Besatzungsmacht auf Antrag bei der Kreisverwaltung ausstellte.
"Schwarzschlachter" war, wer ohne diese Genehmigung tätig wurde. Das musste dann bei Nacht und Nebel und verdunkelten Fenstern, möglichst geräuschlos geschehen, was bei dem Schlachten eines Schweins oder einer alten Sau oft sehr problematisch war. Deshalb war die eine Variante sehr beliebt: Man schlachtete ein Schwein mit Schlachtschein und eines schwarz, so auch bei uns im Winter 1947.
"Haisch Alfred", Alfred Rach, war der Metzger, der im "Schwarzschlachten" sehr viel Erfahrung hatte und außerdem hervorragende Hausmacherblut- und Leberwurst machte.
Uns Kindern wurde eingetrichtert nur ja nichts davon in der Schule und in der Nachbarschaft zu erzählen.
Am Schlachttag wurde dann abends das offiziell geschlachtete Schwein, das draußen auf einer Leiter hing, ins Haus geholt.
Das "Schwarzgeschlachtete" hing bereits versteckt im Keller oder in der Scheune. Am Tag darauf wurden dann zwei Hälften bereitgelegt, weil man den Fleischbeschauer noch erwartete. Er musste genau noch wie heute in den modernen Schlachthöfen das Fleisch auf Trichinen untersuchen. Diese können beim Menschen nach dem Verzehr von rohem Fleisch Trichinelose hervorrufen, die sogar zum Tode führen kann.
So kam im Laufe des nächsten Tages ein älterer Herr namens Bernhard Klas aus Hasborn mit seiner "98iger NSU Quick", der natürlich in allen Familien bestens bekannt war und auch schon mal ein Auge zudrückte. Nach getaner Arbeit, der Fleischbeschau, ging man ins Haus, um abzurechnen und um noch wie üblich einen Schnaps zu trinken.
Beim Verabschieden sagte er zu meinem Vater: "Jusep, beim niesten Moal moßte besser offpassen, euer Schwein hatt\' zwien Schwänz!" (Josef, beim nächsten Mal musst du besser aufpassen, euer Schwein hatte zwei Schwänze).

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