Das Virus befällt auch Kinder

MORBACH. Historische Telefone Sammeln, das hat im wahrsten Sinne des Wortes etwas "Verbindendes". Einmal im Jahr tauschen Sammler aus ganz Deutschland und aus dem Ausland in Morbach nicht nur Erfahrungen, sondern auch Sammlerstücke aus.

Für Siegfried Warth, dem Vorsitzenden des Deutschen Telefonmuseums ist der Tag der Tauschbörse ein wichtiger Termin. In der Jugendherberge, schräg gegenüber dem Telefonmuseum, wird dann wieder einen Tag lang gefeilscht und gefachsimpelt.Erste lokale Telefonnetze im Hunsrück ab 1888

"Die ältesten Stücke, die hier den Besitzer wechseln, stammen aus der Zeit der Jahrhundertwende", erklärt der Vorsitzende. Im Hunsrück gab es ab 1888 die ersten lokalen Telefonnetze. Da wurde am Telefon die Kurbel gedreht, und es meldete sich das "Fräulein vom Amt". Das Problem der Sammler ist: Vor den Zeiten der privaten Netzbetreiber gehörte ja jeder Apparat, der beim Kunden stand, weiterhin der Post. Wurde dieser durch ein neues Modell, beispielsweise von Wählscheibe auf Tastentelefon getauscht, nahm die Post das Altgerät zurück und, zum Erschaudern der Sammler, wurden die Apparate gnadenlos zerstört.Die meisten Geräte haben durch Zufall überlebt

"Alles, was hier und drüben im Museum steht, hat irgendwie durch einen Zufall überlebt", weiß Warth, von Beruf in dritter Generation Fernmeldetechniker. Auf 60 laufenden Metern Tischfläche waren rund 300 komplette Geräte und jede Menge Zubehör im Angebot. Viel Interessantes konnte man da über das historische Telefonieren erfahren. Beispielsweise, dass die ersten Telefone nur mit Batteriebetrieb funktionierten und immer mehr Batterien gebraucht wurden, je länger die Leitung war. Ehrgeizigstes Ziel eines jeden Sammlers ist natürlich die originalgetreue Instandsetzung seiner Schmuckstücke. "Literatur und Schaltpläne sind fast begehrter als die Telefonanlagen selbst", kann Siegfried Warth bestätigen. Er selbst besitzt 17 000 Bücher und Schaltpläne und schreibt auch selbst um Sammlerkollegen weiter zu helfen. Telefone sammeln, das ist ein Hobby für drei Generationen. Das wurde beim Anblick der Besucher schnell klar. Dietrich Arbenz beispielsweise war eigens aus München nach Morbach gekommen. "Ich verbinde das Hobby mit der Erinnerung an meinen früheren Beruf und sichere so ein Stück Industriegeschichte", erklärt er seine Motivation.Einfache Technik, die bis heute funktioniert

Der pensionierte Fernmeldetechniker Alexander Kulcsar aus Konstanz baut historische Wählsysteme ab dem Baujahr 1922 wieder auf. "Das ist eine hinreißende Technik, die toll durchdacht ist", lobt er die Ingenieurskunst vergangener Tage. Am erstaunlichsten ist jedoch, wie das Sammlervirus in die nächste Generation überspringt. Der 13-jährige Dennis Fetzer aus Leonberg sammelt seit dem zarten Alter von fünf Jahren Telefone und hat, man glaubt es kaum, in seinem jungen Leben schon über 1000 davon zusammengetragen. Was reizt ein Mitglied der Handy-Generation an diesem Hobby? "Mich fasziniert die einfache Technik, die bis heute einwandfrei funktioniert", erklärt er seine Leidenschaft. Mangel an sammelwürdigem Nachschub gibt es heutzutage wirklich nicht. Inflationär breiten sich neue Telefone auf dem Markt aus. Und natürlich hat auch ein Telefonsammler sein Handy in der Tasche. "In 20 Jahren sind auch diese Geräte reif fürs Museum", da ist Siegfried Warth ganz sicher. Und vielleicht sammelt ja bald einer nur noch Klingeltöne.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort