"Den Hass begraben"

Traben-Trarbach · Schindlers Liste - was ist Wahrheit und was Hollywood? Darüber haben 130 Schüler des Traben-Trarbacher Gymnasiums mit Professorin Erika Rosenberg aus Argentinien gesprochen: Sie ist die Biografin von Emilie und Oskar Schindler, Emilies Erbin und als Zeitzeugin der zweiten Generation momentan auf Vortragsreise durch Europa.

 Professorin Erika Rosenberg gibt Schülern Einblicke in das Leben der Schindlers. TV-Foto: Claudia Szellas

Professorin Erika Rosenberg gibt Schülern Einblicke in das Leben der Schindlers. TV-Foto: Claudia Szellas

Traben-Trarbach. Bei Ebay ist sie gerade wieder aufgetaucht: Schindlers Liste mit den über 1200 Namen der Juden, die der Fabrikbesitzer Oskar mit Ehefrau Emilie vor den Nazis gerettet hat.
"Viel Geld soll sie bringen, das ist schlimm! Denn so ein Zeitdokument gehört ins Archiv und nicht in Ebay", sagt Professor Erika Rosenberg.
Auf ihrer Tour durch Europa war sie auch zu Gast bei 130 Schülern des Traben-Trarbacher Gymnasiums. Rosenberg gilt als enge Vertraute von Emilie Schindler und räumte mit manchem Hollywood-Mythos bei ihrem Vortrag auf.
Dabei ist es zunächst ihre eigene Geschichte, die den Kontakt zu Emilie brachte: "Mein Vater war Jurist und meine Mutter Ärztin. 1936 wanderten sie aus, da sie als Juden ihren Beruf nicht mehr frei ausüben durften und sie Verfolgung fürchteten. Ohne Geld, ohne der Sprache mächtig zu sein, flohen sie zuerst nach Paraguay, später nach Argentinien, wo ich 1951 geboren wurde", erzählt sie den Schülern.
Ideelles Vermächtnis


Rosenbergs Eltern haben mit ihr nie über die Zeit der Verfolgung geredet - "deshalb wollte ich nach ihrem Tod ein Buch über die vielen Einwanderer in Argentinien verfassen." Bei den Recherchen hierzu begegnete sie Emilie. "Sie erzählte mir alles. Das war ergreifend, erschreckend und mein eigenes Buchprojekt legte ich ad acta, um ihre Biografie zu schreiben."
Rosenberg macht klar: "So wie im Film war es übrigens nicht: Emilie Schindler hat auch unter Einsatz ihres Lebens bei der Rettung der über 1200 Juden mitgeholfen."
Im Winter 45 habe sie zudem 120 Juden in der tschechischen Fabrik ihres Mannes aufgenommen, die auf der Suche nach Zuflucht drei Wochen verzweifelt unterwegs waren.
Details aus dem Privatleben


Auch Details aus dem Privatleben der Schindlers gibt sie preis: "Oskar hat seine Frau betrogen, wo er nur konnte. Seine Geliebte nahm er mit auf dem Schiff nach Argentinien. Als Emigrant fühlte er sich dort nie wohl.
Deshalb ging er 1957 nach Deutschland." Vom Tod ihres Mannes erfuhr Emilie erst durch die Todesanzeige. "Ein Nazi, der Juden rettete", stand hier geschrieben. "Warum haben die zwei getrennt gelebt, wo sie so viel mitgemacht haben?", will die 18-jährige Franziska wissen. "Weil sie sehr unterschiedliche Menschen waren: Emilie war fromm und Oskar liebte das Leben."
Vinh (16) fragt: "Was ist dran am Streit ums Erbe?" Rosenberg schüttelt den Kopf: "Emilie war mittellos, in Argentinien lebte sie von unbekannten Spendern."
Die passenden Beweise wirft die Vertraute per Beamer an die Wand. "Als sie nach Deutschland kam, habe ich sie begleitet, alles bezahlt, auch ihre Beerdigung."
Ihr ideelles Vermächtnis will Rosenberg so lange es geht, in die Welt tragen. "Emilie wollte, dass die Menschen ihren Hass begraben: Mut, Courage und Liebe im Leben sind das Wichtigste und auch die Fähigkeit zu vergessen."Extra

Wie Schindlers Liste entstand: Oskar Schindler hatte zunächst eine Emaillefabrik in Krakau - dort waren hauptsächlich Juden beschäftigt, die aus dem Konzentrationslager Plaszow stammten. Schindler stand seit seiner Jugend den jüdischen Mitschülern und seinen jüdischen Freunden immer positiv gegenüber. Bereits 38 schmuggelte er immer wieder Juden in seinem Kofferraum im Auto über die Grenze. Gleichwohl er seit 35 als Agent der Abwehr für das Deutsche Reich ausländische Agenten enttarnte, arbeitet er quasi als Doppelagent auch im Widerstand: Als ihm zu Ohren kam, dass seine Arbeiter nach Auschwitz zur Endlösung deportiert werden sollten, kaufte er schnell ein Werk in Tschechien, für das er Arbeiter brauchte - diese sollten benamt auf eine Liste kommen: 799 Männer und 299 Frauen bilden die Grundlage dieser verfilmten und legendären "Schindlers Liste", die im Übrigen nicht vom ihm selbst, sondern vom "Ordnungsmann" Marcel Goldmann erstellt wurde. jo

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort