Den Stern auf der Stirn

WITTLICH. Bei Achim Müllen erzählen die Autos Geschichten. Die Wagen aus der eigenen Sammlung, aber auch die, die er für seine Kunden herrichtet – "wieder zum Leben erweckt", wie er sich ausdrückt.

Einst war er Kaufmann, dann Masseur, später im öffentlichen Dienst. Sein Herz schlug jedoch immer für Autos, genauer gesagt: für Mercedes. Und das bereits in ganz jungen Jahren. Das beweist ein Foto aus der Kindheit. Mit vier Jahren bekam Achim Müllen seinen ersten Mercedes von den Eltern, knallrot und aus Blech. "Damals hat sich wohl der Stern auf der Stirn eingeprägt", schmunzelt er, und darf gar nicht daran denken, was dieses Spielzeug heute wert wäre, wenn es nicht irgendwann in irgendeiner Tonne gelandet wäre. Maximal aus zweiter Hand

So wie all die Mantas und GTIs, die sich seine Kumpels kauften, als sie den Führerschein gemacht hatten. Müllen, Jahrgang 1961, besorgte sich - klar, einen Mercedes, und setzte sich damit über alle Moden hinweg. Er übernahm den 190er D, Baujahr 63, vom Vater: "Und der lebt heute noch." 1998 machte Müllen sich in der Autobranche selbstständig, und seitdem hat der alte Diesel reichlich Gesellschaft bekommen: weiße, schwarze, rote, cremefarbene, und in wenigen Tagen kommt ein mintgrünes Unikum hinzu. Ihre Geschichten sind noch bunter als sie selbst: Den einen hat Müllen am Schrottplatz erstanden, den anderen der Witwe eines Wittlicher Bürgermeisters abgekauft. Manche kamen aus der Nachbarschaft, andere aus der Ferne. Inzwischen kauft Müllen gezielt in der Schweiz und in den USA ein. "Dort im trockenen Süden." In Texas, Arizona, Nevada gibt es Jahrzehnte alte Fahrzeuge, an denen noch nie etwas geschweißt oder gespachtelt wurde. Der Lack mag zwar manchmal etwas blass sein, manche Gummidichtung porös, die Innenausstattung angegriffen, doch diese "Kleinigkeiten" bekommt er locker in den Griff. Wenn er in den USA andere Marken findet, etwa ein Ford Mustang, oder ein alter Triumph ("aber nur unverbastelte"), dann nimmt er die auch mit. Bei seinen Einkäufen geht der eingefleischte Auto-Freak nach zwei Kriterien vor: "Immer nur Modelle, die ich auch in meine eigene Sammlung aufnehmen würde." Und maximal aus zweiter Hand dürfen sie sein. Für die Privatsammlung baute der Mann, der schier alles sammelt, was aus den 50er- und 60er-Jahren stammt, auf seinem Grundstück eine Halle, die längst aus allen Nähten platzt. Die eigenen Schätzchen müssen sich den Platz mit jenen Modellen teilen, die Müllen und sein Subunternehmer für ihre Kunden suchen. Der Kundenkreis ist international, zieht sich von Norwegen über Laos bis Australien, und wer bei ihm bestellt, ist meist ebenso verrückt wie er selbst. Müllen erzählt die Geschichten seiner Autos weiter. Welche Zigarettenschachtel oder Zeitung er auf dem Rücksitz fand, in welcher Scheune es stand, seit sein Besitzer nicht mehr selbst damit fuhr, wie der hieß und wo der wohnte. "Viele Zweitbesitzer machen Spritztouren zu denen, die vor ihnen am Steuer saßen." Für kein Geld der Welt würde Müllen im Winter das schwarze 250 SE Cabrio, Baujahr 66, oder den Ford A von 1929 bewegen, mit dem er im warmen Halbjahr Brautpaare zum Standesamt fährt. Denn: "Der Wagen hält jetzt Winterschlaf." Längst hat er durch seinen im Jahr 2000 gegründeten Young- und Oldtimer-Stammtisch Mitstreiter gefunden. Besonders beliebt sind die Feten, die er mit Freundin Rosi für Gleichgesinnte organisiert. Von einem technischen Museum für Wittlich kann er bisher nur träumen, obwohl er ein passendes Objekt schon im Auge hat. Doch bei so viel realisierten Träumen darf man gespannt sein, ob daraus nicht doch noch was wird.

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