Der Architekt der Stadt Wittlich

Wittlich · Er hat Wittlichs erste Tiefgarage in der Altstadt gebaut, sein erstes Innenstadtprojekt war die Kneipe Canapee: Seit 1975 tragen viele Immobilien die architektonische Handschrift von Hans Krebs (65): Sein letztes Vorhaben, die Umgestaltung des Geländes rund um die Kaienburg, mit dem er sich seit 1988 beschäftigt, wird er der nächsten Generation zur Umsetzung übergeben.

 Wittlich im Planer-Blick hat Hans Krebs seit Jahrzehnten, um der Innenstadtflucht moderne Räume entgegenzusetzen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich im Planer-Blick hat Hans Krebs seit Jahrzehnten, um der Innenstadtflucht moderne Räume entgegenzusetzen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Wenn Hans Krebs auf den Wittlicher Stadtplan schaut, sieht er überall rot markierte Grundstücke: Das sind die, die er als Architekt umgestaltet hat. Canapee, Altstadt-Apotheke, Säubrenner-Klause, das Gebäude mit Tiefgarage an der Feld-/Bachstraße, Möbelhaus Klein, Sparda-Bank, Oberstraße 1, drei Objekte in der Kegelbahn-/Hochstraße und so weiter. "Seit den frühen 70er Jahren herrschte unter den Wittlicher Geschäftsleuten, die es sich leisten konnten, eine Innenstadtflucht. Hinaus ins Grüne, in moderne neue Wohnungen. Das Aufwerten durch Modernisierung des bestehenden Wohnbestandes kam niemand in den Sinn." Die Folge: In der Innenstadt hätten die oberen Geschosse leergetsanden. Sein Ziel sei gewesen, diesen Trend umzukehren, und das habe in seinen Objekten auch bestens geklappt.
Man muss weiterdenken


Weit über 2000 Wohnungen hat er geplant in 800 Projekten. "Das meiste davon in der Stadt", sagt er. Dort mittendrin ist er auch geboren. "Meine Familie wohnte zwischen 1913 und 1972 in der Burgstraße 44, dort habe ich meine Kindheit erlebt. 1973 bin ich mit meiner Frau in das Haus meiner Großeltern in die Friedrichstraße gezogen, das Haus wurde 1952 von meinem Vater gebaut. Die Straße hieß noch Neuerburger Landstraße. Hier gab es keine Bürgersteige, und die Beethovenstraße existierte noch nicht."
Dort sitzt der 65-Jährige jetzt in hellen, modernen Räumen. Das Alte mit dem Neuen verbinden - das ist sein Ding. Aber seine Ehrfurcht vor dem Alten hat pragmatische Grenzen. Wer ihm vorhält, die Altstadt habe "ihr Gesicht verloren", bekommt die Antwort: "Das könnte man sagen, ja, wenn wir so leben wollen, wie vor 100 Jahren. Wenn wir aber eine attraktive Stadt haben wollen, müssen wir weiterdenken."
Was jetzt offiziell Thema ist, war schon lange eine Mission, mit der Hans Krebs erfolgreich war: Die Innenstadt durch moderne Räume wieder bewohnbar zu machen. Krebs kennt auch die Schwierigkeiten, die die Stadtstruktur mit kleinen Immobilien mit sich bringt: "Die Nachbarn müssen miteinander können."
Kaienburg als Schlusspunkt


Beim Feldstraßenprojekt mit Wittlichs erster Tiefgarage mit 50 Plätzen war das so. Zusammenlegungen von Grundstücken, Arrondierung genannt, das ist auch das Thema seines wohl letzten Großprojekts in der Stadt, dem Gelände um die Kaienburg (der TV berichtete). Das wird er, sobald es die Grundstücksarrondierung erlaubt, baulich vorbereiten und es als Projekt der nächsten Generation zur Umsetzung übergeben. "Das ist eine Art Lebensaufgabe. Ich habe schon 20 Grundstücke gekauft. Das kleinste war fünf Quadratmeter groß und gehörte einer Erbengemeinschaft." Das Kaienburg-Gelände selbst hat 732 Quadratmeter, insgesamt sind 1600 Quadratmeter durch Zukauf arrondiert, rund 500 Quadratmeter fehlten ihm noch, sagt er.
Die Kaienburg selbst hat er Ende 2005 aus der Konkursmasse gekauft. Zum Zustand sagt er: "Die Statik wurde schon zwischen 1980 bis 1990 untersucht. Standsicherheit war schon damals nicht mehr gegeben. Und im fiskalischen Sinne gilt das Gebäude seit 2006 als nicht mehr existent." - Steuern für die Immobilie wurden nicht mehr erhoben. Er zeigt Fotos - insgesamt 500 Stück - vom Inneren, oder was davon übriggeblieben ist. Hinein darf niemand mehr: zu gefährlich. Ein paar Bänke, alte Holzverkleidungen und Türen, die noch einigermaßen zu gebrauchen wären, lagern in einer Garage. Mehr wird wohl von der früheren Institution städtischen Lebens nicht übrig bleiben. Was sagt er denen, die das Verschwinden des Traditionshauses bedauern? "Die Behörden hätten sicher eingewirkt und vom Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht, wäre noch etwas denkmalwürdig. Ich habe schon damals ja praktisch nur das Grundstück gekauft. Viele, die sich jetzt damit beschäftigen, haben selbst längst ihr Eigentum in der Innenstadt verlassen. Und dieses Objekt ist einfach nicht zu halten."
Dabei kennt er die Geschichte der Kaienburg durchaus nicht nur als Planer, der schon 15 Aktenordner mit dem Gebäude gefüllt hat. "Was ich da erlebt habe? Als Kind habe ich bis 1955 dort das Stangeneis für unseren Eisschrank in der Burgstraße geholt. Und ich war mal Modell für eine Modenschau für Langner-Fischer. Das Geschäft gibt es ja auch nicht mehr. Ich glaube, wir haben nachher eine Flasche Limo gekriegt. Das war ja was Tolles. Und natürlich habe ich wie alle dort die Tennisbälle genossen."
Objekt entmystifizieren


Der Tanzsaal ist schon ewig gesperrt. Hans Krebs zeigt Fotos vom Verfall: Marode, durchgebrochene Decken, faules Holz, ein Kontrast zu den schönen Erinnerungen, die mancher an Erlebnisse im Gasthaus hat. Mit dem Abriss werden von den besseren Zeiten nur noch meist persönliche Geschichten bleiben, zum Beispiel die vom Knirps, der in Kinderstrickmode über den Laufsteg lief und heute als 65-Jähriger über seinen Ruhestand nachdenkt. Original-Holzbänke aus der Kaienburg, um auf der Rentnerbank davon zu erzählen, hätte Hans Krebs jedenfalls.
Aber als Architekt hat er naturgemäß einen anderen Blick: "Wichtig erscheint mir, dass das Objekt Kaienburg entmystifiziert wird. Fast jeder unserer Mitbürger hat Erinnerungen an schöne vergangene Stunden im Hause Kaienburg. Vergessen werden darf aber nicht, dass das Objekt aufgrund unterlassener Bauunterhaltung seit Jahrzehnten dem Verfall preisgegeben wurde." sos

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