Der Hengst und das Phantom

NIEDERSCHEIDWEILER. Abgeschieden, am Rande des kleinen Ortes Niederscheidweiler, liegt der Pferdezuchtbetrieb der Eheleute Petra und Richard Heinz. Das Besondere des Hofs sind unter anderem die hochwertigen Hengste, deren Sperma an Pferdebesitzer in der ganzen Welt verschickt wird.

Was da auf sie zukommt, weiß Carta Nevada nicht. Schließlich ist es ihr erstes Mal. Die braune Stute steht angebunden in einer Ecke, um sie herum sind gekachelte Wände, und vor ihr, in der Mitte des Raumes, steht das "Phantom" - eine Art Pferd ohne Kopf und Schwanz. Dafür aber mit vier eisernen Beinen, die fest am Boden verankert sind. Wer das Phantom näher kennt, weiß warum. So wie Semper, der schwarz-weiße Hengst, der wenig später den Raum betritt. Er war mit dem Phantom schon des öfteren intim - das letzte Mal vor einem halben Jahr. Jetzt, wo die Winterpause und damit lange Zeit des Wartens vorbei ist, sieht es für Semper so aus, als könne zwischen den beiden noch mal etwas laufen. Ein eingespieltes Team: der Hengst und das Phantom. Und was macht die Stute? "Sie ist dazu da, den Hengst zu stimulieren", sagt Petra Heinz, die gerade damit beschäftigt ist, die "künstliche Scheide" vorzubereiten. Dafür muss die gelernte medizinisch-technische Laborassistentin und Pferdewirtschaftsmeisterin den Innenschlauch des Geräts, das die Größe eines ausgewachsenen Feuerlöschers hat, mit Wasser füllen. 52 Grad beträgt die Wassertemperatur, erklärt sie, während nebenan das Blut des Hengstes bereits kocht. Denn Semper hat mittlerweile die Stute erblickt, ist offensichtlich erregt und möchte ohne viel Umschweife zu Sache kommen. Richard Heinz, der Ehemann der Laborassistentin, hat Mühe, den Hengst im Zaum zu halten. Und dann geht alles recht schnell: Der Hengst landet auf dem Phantom, und die Flüssigkeit, die sich dabei von seinem Hormonhaushalt verabschiedet, in der künstlichen Scheide (auf Details soll an dieser Stelle verzichtet werden). Und Carta Nevada schaut dem Akt relativ gelassen zu. Zwei Minuten später ist Petra Heinz wieder im Labor, entnimmt einige Proben der Sperma-Ausbeute, "und der Rest landet im Gully", sagt sie. Auch wenn damit ein kleines Vermögen in der Kanalisation verschwindet. 650 Euro kostet Sempers Samen, der je nach Anfrage deutsch-land-, europa- und weltweit verschickt wird. Semper hat Nachfahren in Italien, in der Schweiz, in Österreich und sogar in den USA und in Australien. Das Ejakulat Sempers und das der fünf weiteren Hengste der Deckstation Windhof ist begehrt, und damit das so bleibt, müssen zu Beginn der Decksaison im Januar immer Proben entnommen und zur Untersuchung auf Krankheiten eingeschickt werden. Erst wenn alles in Ordnung ist, darf der Samen verkauft werden. Hengst Semper gehört zu den Topverdienern

Doch nicht nur bei den Hengsten wird auf erlesene Blutlinien geachtet. Unter den insgesamt 50 Pferden, von denen 36 dem Ehepaar Heinz gehören, sind auch einige mehrfach ausgezeichnete Zuchtstuten. Des Weiteren leben auf dem Windhof noch sechs Rinder, fünf Jack-Russel-Terrier, ein Border-Collie-Mischling sowie sieben Katzen. 1994 haben Petra und Richard Heinz, gelernter Landwirt und zudem Pferdewirtschaftsmeister, den Hof erworben und auf dem 43 Hektar umfassenden Land ihre bis dahin kleine Pferdezucht in den Jahren darauf kontinuierlich vergrößert. Seit 1996 betreiben beide ihre Besamungsstation - die einzige im Raum Trier und eine von insgesamt vier Stationen in ganz Rheinland-Pfalz. Mit seinen 650 Euro gehört Semper zu den Topverdienern auf dem Windhof, auch wenn das Geld, das er bei aller Leidenschaft erwirtschaftet, für ihn nur Nebensache ist. Und auch ein Hengst hat manchmal keinen Bock. "Dann kann es schon mal eine Stunde dauern, bis er ejakuliert", sagt Petra Heinz, als rede sie dabei über das Wetter oder Belangloses im Fernsehprogramm. Doch dem Hengst scheint das egal zu sein. Der Stute auch. Und dem Phantom sowieso.

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