Der innere Frieden kommt beim Schafehüten

Rorodt · In Rorodt gibt es seit etwa einem Jahr eine auf Schafhaltung setzende Jugendhilfeeinrichtung. Sie kann nicht nur beachtliche Erfolge aufweisen, sondern wird in dem kleinen Dorf auch gut angenommen.

 Markus Steffen (Zweiter von rechts) mit Ortsbürgermeister Hermann Klein (rechts), Sozialpädagogin Bärbel Schultz, Daniel Raabe (Zweiter von links), Tierwirt-Azubi Justin und den Jugendlichen Emanuel (vorne) und Maikel. TV-Foto: Ursula Schmieder

Markus Steffen (Zweiter von rechts) mit Ortsbürgermeister Hermann Klein (rechts), Sozialpädagogin Bärbel Schultz, Daniel Raabe (Zweiter von links), Tierwirt-Azubi Justin und den Jugendlichen Emanuel (vorne) und Maikel. TV-Foto: Ursula Schmieder

Rorodt. Emanuel (15) lebte noch nicht lange in Rorodt, da ging er schon mit Paul, einem Mann von Mitte 60, spazieren. "Zuerst habe ich gedacht, wo bin ich denn hier gelandet", räumt der Junge ein. Doch nach einem Jahr in der Wohngemeinschaft Schäferei (siehe Extra Wohngemeinschaft Schäferei), einer Einrichtung der Jugendhilfe, findet er es ganz gut im 56-Einwohner-Ort: "Das passt schon", sagt er.
Maikel (14) sieht das ähnlich. Er freut sich, wenn es raus geht zu den Tieren. Er ist dankbar für die sich ihm bietende Chance "Die Schafe machen einen anders - auch friedlicher von innen", erzählt er.Ein Fünf-Sterne-Haus


Justin (19) erlernt mittlerweile sogar den Beruf des Tierwirts. Dabei konnte er es sich anfangs nicht vorstellen, mit Schafen zu arbeiten: "Und heute kann ich mir das nicht mehr ohne vorstellen", berichtet er. Er habe zwar nie eine andere Jugendhilfeeinrichtung kennengelernt, doch den Berichten Gleichaltriger zufolge sei die Schäferei "ein Fünf-Sterne-Haus".
Zu verdanken ist das dem eingespielten Team des Trägervereins Menschen-Schafe-Landschaften: Schäfermeister und Heilerzieher Markus Steffen (42), Sozialarbeiterin Bärbel Schultz (57), die pädagogische Leiterin, und Daniel Raabe (35), Landwirt, Schäfer und Erzieher. Schultz ist überzeugt, dass kleine Teams mit familiärer Atmosphäre gut sind für ihre Schützlinge, die oft keine andere Einrichtung mehr aufnimmt. Das Schafhüten vermittle zudem lebensnotwendige Grundfertigkeiten und lasse Raum, "sich entdecken zu lassen", erklärt Raabe. Laut Steffen ist schon die feste Tagesstruktur, vorgegeben von der Arbeit rund um die Schafe, wichtig. Jugendliche hätten oft keine Vorstellung, was sie alles mit sich anfangen können und lernten obendrein Fürsorge zu tragen - für sich und andere. Außerdem steigere es das Selbstvertrauen, zu sehen, dass einem Hunderte Tiere vertrauensvoll folgten.
Die anfangs vom Schulunterricht befreiten jungen Leute lernten so "wieder den aufrechten Gang", betonen die Verantwortlichen. Was das Team bestärkt, sind Erfolge, wie die eines einstigen Schulverweigerers und heutigen Zehntklässlers. Nach vierjähriger Betreuung setzte er auf eigenen Wunsch den nach der fünften Klasse abgebrochenen Schulbesuch fort - als 16-Jähriger in der siebten Klasse.
Die Jugendlichen machen wichtige Erfahrungen. Zum Beispiel, dass die Betreuer ihnen Werte wie Miteinander oder Ehrenamt vorleben und die Rorodter sie respektieren.
Die Bürger beeindrucke, dass die jungen Leute bereitwillig im Stall arbeiteten, erklärt Ortsbürgermeister Hermann Klein. Außerdem packten sie im Dorf überall mit an, was dazu beitrage, dass die Bürger sich gut mit ihnen verstehen, berichtet Klein. Als Beispiel nennt er gemeinsame Fußball-Fernsehabende.
Das sei der Vorteil kleiner Orte. Wenn Leute zusammenstünden, könne jeder dazu kommen, was auch umgekehrt funktioniert. Bei einem adventlichen Abend im Schafstall schauten mehr als 30 Rorodter vorbei. Laut Klein profitiert das Dorf zudem von der Wiederbelebung des Anwesens und davon, dass dank der Schafe die Täler nicht verwildern.Extra

Die Wohngemeinschaft (WG) des gemeinnützigen Vereins Menschen-Schafe-Landschaften betreut Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit "speziellem emotionalen und sozialen Förderbedarf". In Rorodt hat die WG des in Womrath (Rhein-Hunsrück-Kreis) ansässigen Trägers seit August 2013 eine Bleibe - mit einer Wanderschäferei, die 350 Tiere umfasst. Mit ihnen ziehen Betreuer und Betreute während der Wintermonate über Land. Das Leitungsteam arbeitet seit Jahren zusammen. So etwa im Jugendhilfeprojekt Soziale Wanderschäferei in Veldenz und Gornhausen oder auch in der Pfalz. Zur Rückkehr in den Hunsrück bewog, dass in Rorodt ein passender Hof zu pachten war, womit sich auch die Gelegenheit bot, ein Projekt in eigener Trägerschaft auf die Beine zu stellen. urs

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