Geschichte Letzte Ruhestätte mitten im Wald

Zeltingen-Rachtig · TV-Serie über jüdische Friedhöfe im Kreis: In Zeltingen stehen dort 60 Grabsteine auf mehr als 3320 Quadratmetern. Und es gibt dort immer wieder Überraschendes.

 Der jüdische Friedhof von Zeltingen. Er scheint noch hin und wieder besucht zu werden, denn bei einigen Grabsteine liegen Steine, als Erinnerung, dass jemand da war.

Der jüdische Friedhof von Zeltingen. Er scheint noch hin und wieder besucht zu werden, denn bei einigen Grabsteine liegen Steine, als Erinnerung, dass jemand da war.

Foto: Christina Bents

Ein handwerklich aufwendig gestaltetes Eisentor steht am Eingang des jüdischen Friedhofs in Zeltingen. Mitten im Wald, an Weinbergen vorbei, findet man die Gräber, die von einer mit Efeu begrünten Sandsteinmauer umrandet sind. 60 sind es, die im unteren Bereich des Friedhofs sehr dicht nebeneinander stehen und dabei teilweise einander zugewandt angeordnet sind. Es sind keine riesigen Monumente, sondern es sind einige einfache, schlichte dabei. Sehr schöne, mit Blumenranken und Mustern verzierte sind aber auch darunter. Das Moos auf den Grabsteinen, gepaart mit den Bäumen rundum und der gepflegten Wiese, geben dem Ort eine besondere Ruhe. Wenn man ihn morgens besucht, hört man viele verschiedene Vögel, die ein kleines Konzert geben.

Dieser Friedhof, der 1876 angelegt wurde, ist der „neue“ Friedhof von Zeltingen. Im Jahr 2013 ist in Zeltingen-Rachtig ein lange vergessener jüdischer Friedhof freigelegt worden. Er befindet sich nördlich des Ortes oberhalb der Weinberge des Oberbachtales „Im Engelter“. Sechs Grabsteine existieren noch. Unter Hecken und Bäumen kamen sie zum Vorschein, die meisten waren umgestürzt. Inzwischen sind sie wieder aufgestellt. Auf beiden Friedhöfen wurden Juden aus Zeltingen und Rachtig beerdigt. Zur Mairie Zeltingen gehörten Rachtig, Lösnich und Ürzig. „Im Arrondissement Trier zählte sie im Jahr 1808 zu dem, mit den meisten Juden“, wie Marianne Bühler in ihrem Buch „Steine über dem Fluss“ schreibt. Rachtig war wegen seiner Matzenbäckerei, das sind ungesäuerte Brote, bekannt. Sowohl Zeltingen als auch Rachtig und Lösnich besaßen eigene Synagogen, Lösnich auch einen eigenen Friedhof.

Das Zusammenleben von Christen und Juden wird im Buch von Hubert Gessinger, das 1984 erschienen ist, als sehr gut beschrieben. „Die Juden waren als Bürger in Zeltingen und Rachtig voll integriert und geachtet. Wenn in „Beiträge zur Trierischen Landeskunde“ steht: „Der jahrelang mit unterschiedlicher Intensität weitergeführten Hetze gegen jüdische Geschäftsleute war zunächst kein voller Erfolg beschieden – nicht zuletzt deshalb, weil die Käuferschaft vielfach auf jüdische Geschäfte, vor allem Viehhändler angewiesen war.“ Hubert Gessinger ergänzt dazu: „Hier wurde weiter gekauft, weil die Leute gewohnt waren hier zu kaufen, weil sie reell bedient wurden, weil für sie die Juden Bürger waren, wie die christlichen Geschäftsleute auch.“ Die jüdische Familie Bach, die sehr musikalisch war, hat beispielsweise bei vielen Festen Tanzmusik gemacht, Otto spielte Cello, Karl Geige und Gertrud Klavier. Aufgearbeitet hat Hubert Gessinger die jüdische Geschichte im Ort gemeinsam mit Schülern der achten und neunten Klasse der Grund- und Hauptschule Zeltingen in einer Arbeitsgemeinschaft. Den Anstoß hat ein ehemaliger Zeltinger Jude gegeben, als er ihn am Telefon nach dem Verbleib der Juden des Ortes gefragt hatte.

Vor einigen Wochen wurde der Friedhof, der wie viele andere auch geschändet worden ist, von einer Mitarbeiterin des Emil-Frank-Instituts in Wittlich besucht. Dabei sind ihr unter einem Busch schwarze Stellen aufgefallen und bei näherem Hinsehen und etwas Erde beiseiteschieben kam der Grabstein von Regina Bach zum Vorschein. Ihre Familie war im Weinhandel tätig und sehr großzügig, sie haben beispielsweise zur Bezahlung der Glocken für die katholische Kirche beigetragen, den Cognac billiger verkauft, wenn es für einen Kranken war, oder den Kommunionkindern Geschenke gemacht. Der Stein soll wieder zusammengesetzt und aufgestellt werden. Viele der Zeltingen-Rachtiger Juden waren nach Amerika ausgewandert, beispielsweise nach New York, Miami oder Los Angeles, andere nach Buenos Aires, Israel, Frankreich oder Belgien. Im Oktober 1938 lebten noch zehn Menschen jüdischen Glaubens im Ort. In Litzmannstadt, Theresienstadt oder Riga sind 15 Personen aus Rachtig und acht aus Zeltingen umgekommen. Einige Nachfahren haben den Zeltinger Friedhof schon besucht.

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