"Der Jugend vertrauen"

TRABEN-TRARBACH. Wie kein anderer prägte Horst Schreiber in den 50er, 60er und 70er Jahren die Politik der Stadt Traben-Trarbach. Der heute 90-Jährige, der erst 1951 an die Mosel kam, ist stolz auf "seine Stadt", verschweigt aber auch nicht, dass in der Vergangenheit manche Fehler gemacht wurden.

Von seiner Wohnung in Traben, unweit vom Stadthaus "Alter Bahnhof", genießt Horst Schreiber einen schönen Blick auf beide Stadtteile. Die neu renovierte Moselbrücke, das schmucke Brückentor, die jetzt im Frühling wieder herausgeputzten Moselanlagen - das alles gefällt dem Senior. "Ja, Traben-Trarbach ist eine der schönsten Städte der Mosel", sagt Schreiber, nicht schwärmerisch, sondern vielmehr mit Stolz. Traben-Trarbach hat sich verändert, seitdem der gebürtige Thüringer 1951 an die Mosel zog. Der Strukturwandel im Weinbau, der Niedergang des traditionellen Weinhandels, die positive Entwicklung im Tourismus und der Bauboom der Nachkriegszeit haben gerade in Traben-Trarbach deutliche Spuren hinterlassen. Der Krieg, den er von der ersten Stunde als Soldat und später als Gefangener in Russland erleiden musste, hatte er glücklich überlebt. Sein bester Jugendfreund aber, Johann Wilhelm Huesgen, den er 1932 während seines Jura-Studiums in Freiburg kennen gelernt hatte, kam um. 1948 verlobte sich Schreiber mit der Witwe seines gefallenen Freundes, ein Jahr später wurde geheiratet. 1951 bot ihm Johann Wilhelm Huesgen sen., der alle drei Söhne im Krieg verloren hatte, an, in sein renommiertes Weingut einzutreten. Im Laufe der Jahre wurde Schreiber Mitinhaber und Geschäftsführer der Firma. Zur Politik kam er auf Bitten des Weingutbesitzers Dr. Fritz Melsheimer. Schreiber erinnert sich: "Damals gab es im Stadtrat noch nicht die bürgerlichen Parteien CDU und FDP, sondern nur freie Wählergruppen und die SPD. Die Politik war lebendig und effektiv." Der langjährige Stadtbürgermeister Gerrit Spalink sei stets bestrebt gewesen, den Einfluss der Parteien in der Stadt zu begrenzen. Schreiber war von 1956 bis 1971 Stadtratsmitglied, von 1958 bis 1960 Zweiter und von 1960 bis 1969 Erster Stadtbeigeordneter. Nach der Verwaltungsreform Ende der 60er Jahre gehörte er auch dem neuen VG-Rat an und war in der Legislaturperiode von 1974 bis 1979 dessen Erster Beigeordneter. Ein halbes Jahr lang, von Januar bis Juni 1979, hatte er das Amt des Stadtbürgermeisters inne. Schreiber verklärt nicht die Vergangenheit, vielmehr sieht er heute viele Dinge durchaus kritisch. Dass Traben-Trarbach stets versucht habe, eine möglichst ohne Parteieneinfluss und eigenständige Politik zu betreiben, sei zwar selbstbewusst aber auch von Nachteil gewesen. Schreiber: "Wir waren bei der Landesregierung in Mainz oder der Bezirksregierung in Trier nicht besonders beliebt." Die Folge: Vieles konnte nicht durchgesetzt werden, Traben-Trarbach verlor bei den "wichtigen Stellen" an Einfluss. Schreiber: "Wir haben es nicht verstanden, das Parteienspiel mitzuspielen." Traben-Trarbach habe in der Region immer eine gewisse Sonderrolle gespielt, politisch wie konfessionell. In Zeiten des Wirtschaftsbooms wurden gute Verkehrsanbindungen wichtiger - ein weiterer Nachteil für die Stadt. Kommunen wie Wittlich, mit viel Platz und optimaler Anbindung, siedelten Gewerbe an und entwickelten sich rasant. Auch im Weinbau gab es nach seiner Meinung Versäumnisse. Während Orte wie Kröv die Flurbereinigung forcierten, hing Traben-Trarbach nach. Positiv bewertet Schreiber hingegen die Entwicklung der Stadt zu einem bekannten Tourismusort. Vor allem die hervorragende Hotellerie und Gastronomie hätten dazu beigetragen. Zwar sei es hier nicht so "lebhaft" wie in Bernkastel oder Cochem, aber das sei auch gut so. Horst Schreiber und Ehefrau Anneliese leben gerne in ihrem Städtchen. Beide genießen ihren Lebensabend und pflegen zahlreiche Freundschaften. Horst Schreiber ist zuversichtlich, dass sich die Stadt positiv entwickeln wird. Schreiber: "Jede Generation hat ihre Probleme und muss damit fertig werden. Die Älteren sollten der Jugend vertrauen."

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