Der Mann für ein paar Millionen Menüs

Wittlich · Täglich rund 600 Mittagessen plus Frühstück und Abendbrot: Heinz Brühl sorgt dafür, dass Patienten, Mitarbeiter und Besucher im Wittlicher Krankenhaus etwas existenziell Wichtiges bekommen: gutes Essen. 33 Jahre war er Küchenleiter in der Klinik. Unzählige Menschen hat er bekocht. Jetzt geht er in den Ruhestand.

 Traditionelle Kochjacke, riesiges Küchenreich im Krankenhaus, täglich 600 Essen: Heinz Brühl geht jetzt in den Ruhestand. TV-Foto: Sonja Sünnen

Traditionelle Kochjacke, riesiges Küchenreich im Krankenhaus, täglich 600 Essen: Heinz Brühl geht jetzt in den Ruhestand. TV-Foto: Sonja Sünnen

Wittlich. Sein Spind ist leer, der Schlüssel abgegeben. Fast leer ist auch die Cafeteria im Krankenhaus. Heinz Brühl sitzt am Tisch wie ein Gast. Irgendwo hinter seinem Rücken liegt ein Klinikbereich, den kaum einer kennt. Der Mann am Tisch aber kennt ihn in- und auswendig: die Großküche. Hier ist Heinz Brühl verantwortlich für mehrere Millionen Essen gewesen. Früher waren es 350 am Tag, jetzt sind es 600. Zum Abschied gab es Roulade Hausfrauenart, Spaghetti Bolognese, Buttfilet in Petersilienpanade.
Stammkunden bei Mitarbeitern


"Wenn man so einen Betrieb leitet, muss man halb mit ihm verheiratet sein", sagt Ernst Barthel, der seinem Chef noch mal persönlich Tschüss sagen möchte. Dessen Job will er nicht: "Das würde bei mir schon an den Nerven scheitern." An seinem letzten Arbeitstag wirkt Heinz Brühl wie die Ruhe selbst: "Ich habe lange viel gearbeitet und werde sicher noch eine Zeit um fünf Uhr wach werden. Jetzt mache ich, wozu ich keine Zeit hatte: Spazieren gehen, werkeln, Boule in Hupperath spielen. Und ich habe 20 Jahre keine Weihnachtsplätzchen mehr gebacken." Denn er hat auch Konditor gelernt. Wegen der Dienstzeiten hat sich der Familienvater 1970 für den Bereich Krankenhaus als Arbeitsplatz entschieden: Gegen 16.30 Uhr hat er Feierabend. Das gibt es in der klassischen Gastronomie sonst nicht.
Damit es den 350 Patienten schmeckt, werden sie persönlich nach ihren Essenswünschen gefragt. Das hat sich bewährt. Und Heinz Brühl ist stolz auf Stammkunden bei den Mitarbeitern. "Wir können uns ja nur bedingt an den Patienten messen, die kommen und gehen. Super ist, wenn man mal einen trifft und der sagt: Das Essen im Krankenhaus war gut."
Der Weg bis auf eins der 1200 Essenstabletts ist kompliziert: Essenspläne im Fünf-Wochenrythmus hat Heinz Brühl entworfen, Sonderwünsche nach Schonkost erfüllt, Dienstpläne geschrieben, Lebensmittel geordert, Kalkulationen überprüft. Kurzum: Er hat dafür gesorgt, dass in der Küche alles klappt. "Eine Katastrophe ist, wenn zwei an einem Tag fehlen. Am schlimmsten ist, wenn die Spülmaschine ausfällt. Alles andere kann man irgendwie noch deichseln. Beim Geschirr wird es eng", sagt der Profi. Und er hat eine kuriose Zahl parat: die der verschwundenen Kaffeelöffelchen: "3000 Stück im Jahr sind einfach weg." Mit einem Löffelchen hat auch ein kulinarisches Kindererlebnis des 1947 in Reckerscheid bei Bad Münstereifel Geborenen zu tun: "Ich war sieben, acht Jahre und mit meiner Cousine auf der Wallfahrt nach Kevelaer. Da war ich zum ersten Mal in einer Eisdiele. Das war richtig super. Den Becher habe ich bis zum letzten Rest leergelöffelt."
Und wie sieht es kulinarisch im Ruhestand aus? "Vielleicht grille ich mal. Dafür hatte ich ja auch nie Zeit."
Und? Hat der Profi noch einen Tipp für Hobbyköche? Heinz Brühl überlegt kurz: "Ein vernünftiger Herd, gute Messer und Pfannen - mit einer allein kann man nichts anfangen. An Geräten braucht man nicht viel. Ich brauche auch eine vernünftige Mikrowelle. Denn ich koche gerne vor, damit ich etwas von meinen Gästen habe."
Heinz Brühls Nachfolge tritt Jörg Krug an. Seit Juli wurde er eingearbeitet.Extra

Jede Woche braucht die Küche zehn Kilo Salz, täglich 550 Brötchen, 45 Kilo Schnittbrot, etwa genauso viel Fleisch, bis zu 30 Kilo Schnittsalat, 70 Liter klare Suppe, 20 Liter Cremesuppe und rund 40 Kilo Kartoffeln. Diese werden küchenfertig aus Trier geliefert. "Seit etwa 20 Jahren werden die nicht mehr hier geschält. Damals haben mich alle verflucht. Jetzt ist das normal", sagt Heinz Brühl. 30 Kilo Knochen werden pro Woche als Soßenbasis gekocht. In der Küche arbeiten 27 Mitarbeiter, darunter fünf Köche. sos

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort