Der öffentliche Zirkus

WITTLICH. (noj) Kurze Statements statt fundierter Hintergrundinformationen, der Streit im Zentrum der Nachrichten: Bei der Podiumsdiskussion zur Verantwortung der Medien in der Politik standen diese Punkte im Mittelpunkt der Gespräche, zu denen die Wittlicher CDU ins Kolpinghaus eingeladen hatte.

Eckhard Kauntz, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, nannte die Kurzatmigkeit in der Politik als eines der Probleme bei der Berichterstattung. Häufige Meinungsänderungen machten es schwer für diejenigen, die kommentieren sollen. Zudem würden vor allem bei der Fernsehberichterstattung nur kurze videoclipartige Statements gezeigt. Man wisse hinterher nicht mehr, was man gehört und gesehen habe. Als ein weiteren Punkt nannte Kauntz den Reiz, Gegensätze in den Parteien für die Berichterstattung auszunutzen. Häufig habe dies zur Folge, dass Politiker den kalkulierten Widerspruch in der Partei zur eigenen Profilierung nutzten.Konzentration auf die Sendezeit

Auch Dr. Werner Langen, Abgeordneter im Europaparlament, ging auf den Dissens als Gegenstand in der Berichterstattung ein: "Das interessiert die Leute mehr." Für komplexe Zusammenhänge gebe es heute kaum noch Foren. Bundestagsabgeordneter Peter Rauen bemängelte ebenfalls, dass in den Medien, besonders dem Fernsehen, immer nur kurze Ausschnitte gezeigt würden. Je nachdem, wie diese geschnitten würden, könne sich der Inhalt auch verändern. Als Politiker solle man vorher immer nachfragen, wie lange das Statement dauern dürfe und versuchen, die wichtigsten Punkte auf diese Zeit zu konzentrieren. Politiker sollten sich auch darum bemühen, mit Journalisten zu reden und Hintergrundinformationen zu erläutern, ohne dass gleich ein Artikel geschrieben würde. Eckhard Kauntz verdeutlichte ein weiteres Problem bei der Berichterstattung: "Wann ist ein Bericht reif zur Veröffentlichung?" Den regionalen Zeitungen warf Kauntz vor, nur oberflächlich zu recherchieren. Die Berichterstattung über Streit in der Politik verteidigte er, denn dies gehöre zur Demokratie. Werner Langen erklärte, dass viele Politiker ihren Bekanntheitsgrad durch solche Nachrichten zu vergrößern suchten, was Kauntz auch bestätigte.Ein Nickerchen im Parlament

Bei der Diskussion, bei der auch das Publikum einbezogen war, äußerten sich einige Besucher sehr kritisch gegenüber den Medien, aber auch der Politik. Eine junge Frau warf den Politikern vor, selbst das Bild, das die Öffentlichkeit von ihnen hat, zu beeinflussen: "Es sind doch die Politiker, die sich in Talkshows zum Affen machen." Auch bei Parlamentssitzungen habe sie vor Ort beobachtet, wie ein Tohuwabohu herrsche oder die Abgeordneten einfach schlafend auf ihren Plätzen säßen. Es liege doch in der Verantwortung der Politiker, was da rüber komme, meinte sie. Peter Rauen bestätigte, dass unter den Politkern eine "Pressegeilheit" ausgebrochen sei. Man könne den Zirkus mitmachen oder nicht. Auf die Frage nach dem Bild, was die Abgeordneten im Parlament abgeben, antwortete Rauen hingegen nicht. Weitere Publikumsfragen beschäftigten sich mit der Unabhängigkeit der Zeitungen. "Innerhalb der Zeitung können und sollten auch unterschiedliche Meinungen zu Wort kommen", erklärte dazu Eckhard Kauntz. Das sei eine der Aufgaben der Berichterstattung.

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