Der Stadtrat und die Stahlbauer
Damit sie wissen, worüber sie entscheiden: Wittlichs Politik der Wirtschaftsförderung sollen Stadträte nicht nur durch "lesen, reden, abstimmen" mittragen, sondern durch hautnahen Kontakt mit Unternehmen vor Ort. Als erste Station weiterer geplanter Betriebsbesuche haben sie die Firma Benninghoven besichtigt.
Wittlich. Das Aus für einen Wittlicher Betrieb zog eine Fünf-Millionen-Investition nach sich: Vor drei Jahren schloss BKS-Label. Der Nachbar Benninghoven kaufte das Gelände, nutzte es für eine Erweiterung. Ein Risiko in einer Krisenzeit, das sich laut Bernd Benninghoven ausgezahlt hat. Der international agierende Mittelständler will weiter investieren: Dieses Jahr will der Konstrukteur von Asphaltmischanlagen eine halbe Million Euro für Lackiertechnik ausgeben.
"Wir halten gezielt am Standort Wittlich fest"
Doch wie kommt man auf die Idee, Asphaltmischanlagen zu bauen? Das fragt ein Stadtrat den Firmenchef nach einer fast zweistündigen Führung durch dessen Wittlicher Betrieb.
Bernd Benninghoven schenkt zum Abschluss Wein aus und witzelt: "Jeder Anfang ist, glaube ich, mit Alkohol verbunden." Sein Großvater, der einst bei einer "Weintournee" an der Mosel hängenblieb - was später auch zum Wittlicher Standort führte -, habe sich über amerikanische Heizungsbrenner geärgert. Dann dachte er: "Das Ding zerlege ich!" - und erfand alsdann die vollautomatische Zündung: Patent drauf und Geschäfte gemacht. Auch Bitumentanks müssen geheizt werden - mit größeren Brennern, und irgendwann baute Benninghoven gleich die kompletten Asphaltmischanlagen, die heute weltweit exportiert werden. Die Maschinen sind eigentlich kleine Fabriken. "Die größte ging für 8,5 Millionen Euro nach Finnland und war 58 Meter hoch", sagt Bernd Benninghoven während der Führung.
Es ist die erste von weiteren Firmenbesichtigungen, die Bürgermeister Joachim Rodenkirch zur Regel machen will. Er sagt: "Wenn man politische Entscheidungen für den Wirtschaftsstandort zu treffen hat, ist es gut, wenn man die Belange der Wirtschaft kennt."
"Wittlich hat uns immer extrem geholfen, auch Zuschüsse hat's gegeben. Es ist schön, wenn die Politik sich dafür interessiert, was uns bewegt und was wir tun. Und wir halten gezielt am Standort Wittlich fest", entgegnet Bernd Benninghoven.
In seiner Führung leitet er die Besucher über den Hof mit Blick auf den unübersehbaren blauen Firmennamen zur ersten Riesenhalle. Darin scheppert und knallt es. Funken sprühen, es riecht nach Metall. Der Werkstoff, der in Wittlich verarbeitet wird, ist schwer. Das sieht man draußen, wo sich eine Art umgestülptes U himmelwärts streckt, um Lasten zu bewegen. "Das Teil ist 22 Meter hoch und kann 32 Tonnen heben", kommentiert der Firmenchef. "500 Tonnen Stahl. Das ist unsere Monatsproduktion", hatte Betriebsleiter Franz-Peter Kropp einleitend erklärt: "Das sind 20 voll beladene LKW. Hier in Wittlich stellen wir alles her, was groß und schwer ist." Der Stadtrat staunt.
Der Schweißroboter, der 24-Stunden-Schichten schafft, die Eine-Million-Euro-Maschine, die Bleche schneidet und brennt, die riesigen Siebmaschinen, die Teile eines Panzers oder U-Boots sein könnten, oder die silbern isolierten Mega-Tanks, die für Laien wirken wie "Irgendwas mit Weltraumforschung", die Schaltschränke voller Technik: Alle sind Stücke für die Maschinen, die Straßenbau ermöglichen, Asphaltmischanlagen eben.
Die Komplexität des Betriebs hat der Stadtrat nun erlebt: Durch Begegnung, nicht als "Papierkram". Letzteren kennt Bernd Benninghoven auch. Er flachst: "Wir verarbeiten mittlerweile mehr Papier als Stahl." Benninghoven-ABCA wie Asphaltsau: Was der Laie Teer nennt, gibt es nicht mehr. Längst wird mit Bitumen/Asphalt gearbeitet. Bernd Benninghoven: "Bitumen ist ein Naturprodukt. Man kann damit kochen. In Österreich habe ich schon mal eine Asphaltsau gegessen. Ein Schwein in Alufolie, das in Asphalt gekocht wurde. Das war eine Delikatesse." B wie Befestigungslasche: Ob Losflansch, T-Stück, Befestigungslasche oder Motor für 25 000 Euro: Die Firma Benninghoven lagert alle möglichen Ersatzteile. "Das sind sieben Millionen totes Kapital. Im Notfall können wir mit allem schnell helfen. Wir haben einen 24-Stunden-Service. Wenn eine Anlage steht, sind immerhin 50 Mitarbeiter betroffen." C wie China: Produktpiraterie macht auch der Firma Benninghoven zu schaffen: "Unsere Anlagen halten 30 Jahre und sind keine Billigprodukte aus China mit Preisen jenseits von Gut und Böse. Die Chinesen machen unsere Schilder drauf, mit Reklamationen kommen die Kunden dann zu uns." (sos)ExtraStandort Wittlich: Wittlich punktet mit seinen Strukturdaten mit rund 19 000 Einwohnern, 7000 Berufstätigen und 17 000 Arbeitsplätzen. Dabei zählt man 4500 Industriebeschäftigte. Für die besichtigte Firma Benninghoven nennt Betriebsleiter Franz-Peter Kropp für den Standort Wittlich (neben Mülheim, wo man 1970 startete) folgende Zahlen: 1988 Ansiedlung auf ehemaligem Gelände der Firma Hans Dockter, 1989 Kauf städtischer Grundstücke, 1990 Produktionsstart in Werk 1, 2008 Kauf des Geländes BKS-Label für Werk 2. Werk 1 hat 7700 Quadratmeter Hallen, 21 000 Quadratmeter Hof, 790 Quadratmeter Büro; Werk 2 hat 6800 Quadratmeter Hallen, 6000 Quadratmeter Hof und 600 Quadratmeter Büro. In Wittlich sind insgesamt 160 Mitarbeiter beschäftigt. (sos)