Interview mit Michael E. Vieten Mila, Greta und die Rufe der Kassandra

Thalfang · Der Thalfanger Schriftsteller spricht im Interview über die Fridays-for-Future-Bewegung, über die Zukunft der Menschheit und über sein neues Buch.

 Michael E. Vieten

Michael E. Vieten

Foto: Ilse Rosenschild

Die Roman-Trilogie „Handbuch zur Rettung der Welt“ des Thalfanger Buchautors Michael E. Vieten ist im Twentysix-Verlag erschienen. Die Handlung spielt am Ende des Industriezeitalters im Jahr 2050. Die meisten Menschen sind Kriegen, Hungersnöten und Krankheiten zum Opfer gefallen. Einige wenige kämpfen ums Überleben.

Herr Vieten, man kennt Sie vor allem als Krimiautor von Geschichten rund um die junge Kommissarin Christine Bernard. Ihr neuestes Werk, die Trilogie „Handwerk zur Rettung der Welt“, fällt da ziemlich aus dem Rahmen. Ist ja ganz praktisch, in Zeiten von Fridays for Future und Greta etwas über Klimawandel und Endzeitstimmung auf den Markt zu werfen, oder?

Michael Vieten Den Setzling zu meinem „Handbuch zur Rettung der Welt“ pflanzte Ende der 1970er Jahre der „Club of Rome“, als ich von dessen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ erfuhr und mich wunderte, dass offenbar nur sehr wenige Menschen die Dramatik hinter den Thesen erkannten. Seit Jahrzehnten begegnen mir Zurückweisung und Unverständnis für meine ablehnende Haltung gegenüber Umweltzerstörung, Ressourcenausbeutung und meiner Aufforderung zur Abkehr vom Kapitalismus zugunsten des Gemeinwohls.

Und wann ging es tatsächlich los mit dem Buch?

Vieten 2012 begann ich mit der Recherche zum Buch. 2016 sendete ich eine Kurzgeschichte zum Thema „Zukunft – die Welt 2050“ im Rahmen eines Wettbewerbs an den Volksfreund. 2017 erschien Band 1 der Trilogie. Das zunehmende Interesse junger Menschen am Umweltschutz ist mir hochgradig willkommen und ich freue mich über diese begünstigende Strömung, sie hat aber nichts mit meiner Veröffentlichung zu tun.

Der Inhalt dieses Buches beruht auf wahren Begebenheiten, sagen Sie. Was ist das „Handbuch zur Rettung der Welt“ denn nun? Ein Tatsachenroman? Ein Science Fiction?

Vieten Eine Dystopie (das heißt: eine Anti-Utopie, die ein negatives Bild der Zukunft zeigt), die dem Leser als spannende Abenteuergeschichte vermitteln soll, was die Menschheit nach dem jetzigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Zukunft erwartet, wenn jene, die die Macht dazu haben, nicht endlich handeln und wir nicht bereit sind, die Notwendigkeiten anzuerkennen.

Wäre es nicht einfacher gewesen, über diese Thematik ein Sachbuch zu schreiben?

Vieten Meine Bücher dienen trotz anspruchsvollem Hintergrund der Unterhaltung. Wissenschaft ist nicht mein Fachgebiet. Das passende Sachbuch zu meinem „Handbuch“ wäre „Die Menschheit schafft sich ab“ von Harald Lesch.

Die Hauptperson ist Mila, eine junge Wilde, stark, kompromisslos und zunächst auf sich allein gestellt. Ihr Gegenüber ist Josh, ein Mann, der die Welt, wie wir sie kennen, noch erlebt hat. Ein Mensch mit unseren Werten, sozial, einer, der Mitleid und Freundschaft kennt. Welches ist aus Ihrer Sicht der Mensch der Zukunft?

Menschen wie Mila und Josh, Anton und Lavinia, Irina und Pawel. Die Beschreibung meiner Figuren und deren Schicksal im Buch entspricht meiner Überzeugung dessen, was unsere Nachkommen erwartet und wie sie darauf reagieren werden. Die derzeitigen Krisengebiete auf der Welt geben uns bereits jetzt zahlreiche Beispiele.

Sie wollten das Buch ohne erhobenen Zeigefinger schreiben, sagen Sie selbst. Glauben Sie, das ist Ihnen geglückt?

Vieten Der erhobene Zeigefinger ist eine Zurechtweisung. Dazu hätte ich nur die Macht, wenn ich König der Welt wäre. Als Autor bleibt mir nur, meine Sicht der Dinge darzulegen und meine Befürchtungen zu veröffentlichen. Warten wir bis 2030. Dann lernen auch die westlichen Länder Milas Welt kennen, oder es war alles nur Science-Fiction.

Die Trilogie heißt „Handbuch zur Rettung der Welt“. Glauben Sie, es gibt ein solches Handbuch wirklich?

Vieten Ja. Die Bibel, in einer der modernen Zeit angepassten Ausgabe, die überlieferten Texte neu interpretiert, wäre ein solches Buch.

Die Trilogie ist alles andere als ein optimistisches Buch. Wie groß sind aus Ihrer Sicht die Chancen, dass die Entwicklung, die Sie beschreiben, nicht eintrifft?

Vieten Reinhold Beckmann stellte Stephen Hawking einmal in einem TV-Interview eine Frage, auf die ich selbst brennend eine Antwort suchte. „Hat die Menschheit eine Chance?“ Stephen Hawking antwortete: „Dazu müsste sie sich sehr verändern.“ Ich kann die Bereitschaft zu den notwendigen Veränderungen nicht erkennen. Ich denke, die menschliche Zivilisation, so wie wir sie kennen, geht ihrem Ende entgegen. Wir haben die drei Elemente Wasser, Erde, Luft für uns lebensbedrohlich kontaminiert und das vierte Element frisst unsere Wälder, die Lunge dieses Planeten. Die meisten von uns fliegen weiter in den Urlaub, fahren Auto und produzieren noch mehr Menschen für den erschöpften Planeten.
Man muss kein Nostradamus sein, um vorherzusehen, wohin das führt, wir ignorieren Kassandras Rufe. Auch Stephen Hawking könnte man als eine „Kassandra“ bezeichnen. Von ihm stammt das Zitat: „Wir laufen Gefahr, uns aus Gier und Dummheit selbst zu zerstören.“

Wie wird Ihr nächstes Buch heißen? Und worum geht es?

Vieten „Vom Schreiben und Lesen“. Ein Sachbuch über meine Arbeit als Autor in den vergangenen zehn Jahren. Es erscheint im Oktober.

„Handbuch zur Rettung der Welt - Trilogie“, Roman, Norderstedt 2019, ISBN 9783740706463. Die gebundene Ausgabe kostet 32,90 Euro, das Taschenbuch 21,90 Euro und das E-Book 7,99 Euro.

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