Der Verfall der Schmidtburg

Bundenbach/Schneppenbach · Vor 200 Jahren hat sie bereits dem Schinderhannes als Versteck gedient. Und heute wandern jedes Jahr viele Wanderer an ihr vorbei. Doch die Schmidtburg droht Stück für Stück zu verkommen.

Bundenbach/Schneppenbach. "Ein Becher Kaffee 1 Euro." So steht es auf einem kleinen Holzschild, das am Anmeldungsschild verdrahtet ist. Das Holzbrett hängt am Bergfried der Unterburg. Doch die Tür zur Schmidtburg ist zu. Ein dickes Schloss hängt auf dem Riegel. Hans-Georg Gerlach scheint nicht da zu sein, obwohl das Motorrad dasteht. Wir treffen ihn an der Wasserstelle der riesigen Anlage. Mit Spitzhacke und Schaufel legt er das Abflussrohr frei. Verstopft. Aus einem nahen Stollen haben die Pfadfinder vor Jahrzehnten Wasser gestaut und über zwei Leitungen zur Burg und zur Zeltwiese geführt. Sie haben auch rund um die riesige Anlage, die größte im vorderen Hunsrück, drei Toiletten aufgestellt.
Der 72-Jährige plagt sich, der Schieferboden gibt die Rohre nur widerspenstig frei. Es ist kalt und windig auf der Schmidtburg, die vor 200 Jahren dem Schinderhannes als Versteck diente, vielleicht sogar schon zehnmal so alt ist, wie römische Funde vermuten lassen. Wo Gerlach gerade gräbt, lag der Schutt vor 25 Jahren meterhoch. Die Brücke über den Burggraben war gar nicht zu sehen. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in großem Stil sorgten dafür, dass die mächtige Burg freigelegt wurde und heute gut begehbar ist. Wer sich die am Unterburg-Bergfried ausgehängte Planskizze genauer anschaut, ist überrascht von der Ausdehnung des alten Gemäuers. Es gibt nur wenige größere Burgen in der Region. Der schmale, felsige Weg, der von Schneppenbach zur Burg verläuft, führt Ausflüglern und Wanderern vor Augen, was das für die Frondienst leistenden Menschen der umliegenden Gemeinden für eine Plackerei war, den Burgherren zu dienen.
Am schönsten Wanderweg


Heute kümmert sich kaum jemand um die imposante Ruine, die in vielen Ferienprospekten angepriesen wird. Sie liegt am schönsten Wanderweg Deutschlands, der Hahnenbach-Traumschleife. Aber die Ruinen sind in die Jahre gekommen. "Ich könnte an allen Ecken reparieren", sagt Gerlach, der seit 1968, also seit 45 Jahren, auf der Burg arbeitet und alles in Schuss hält. 1953 war der frühere Postangestellte aus Kirn schon als Pfadfinder auf der Burg, übernahm dann von den Pfadfindern aus Simmern das Burgkommando. Gerlach gehört zu den "Preußen" in Kirn - eigentlich eine Fastnachtsgruppe. Die Garde brauchte auch außerhalb der Saison eine Herausforderung. Die Burg lieferte und liefert sie täglich. Vor einigen Wochen campten Pfadfinder sogar im Schnee auf der zugigen Anlage.
Bei unserem Besuch am Samstag ist es gefühlt um den Gefrierpunkt - die Lust aufs Campen hält sich in Grenzen. Ein halbes Dutzend Spaziergänger verliert sich im weiten Gelände zwischen Ober- und Unterburg, Marstall, Bergfried, Burgmannenhaus. Eine zehnköpfige Wandergruppe kommt eiligen Schrittes heranmarschiert, will gleich weiter zum Forellenhof im Tal. Aber ein paar Erläuterungen nimmt man dann noch mit. Wenn man schon mal hier ist.
Hans-Georg Gerlach könnte viel erzählen. Von großen Pfadfindertreffen, vom Tourismusbetrieb im Sommer. "Das ist fast wie Kirmes", sagt er. Wenn so viele Leute auf alten Mauern herumturnen, geht schon mal was kaputt. Etliche Schieferplatten, die vor 25 bis 30 Jahren mühsam vermauert wurden, haben sich inzwischen gelöst. Auch strenge Winterfröste der vergangenen Jahre nagen am Gemäuer. Viele Eimer Mörtel hat Gerlach in viereinhalb Jahrzehnten auf der Burg verarbeitet. Doch derzeit hält er sich zurück. Das hat auch mit der Denkmalpflege zu tun.
2009 sollte die damalige Landeskonservatorin Birgitta Enders die Arbeiten freigeben, die ein in Kirn ansässiges Unternehmen mit 1-Euro-Jobbern erledigen sollte. "Die haben Monate auf die Denkmalpflegerin gewartet, das ein oder andere halt gemacht", erinnert sich Gerlach. Dann war es Oktober, als die Fachfrau auf der Baustelle erschien. "Sie hat getobt, das lasse sie sich nicht bieten, so gehe das nicht", beschreibt Gerlach das Ende der Restaurierung 2009. Seither laufe hier nichts mehr. Dabei sei doch viel zu reparieren und zu restaurieren. Auch das ein oder andere gut gemeinte Werk gehöre entfernt, sagt der Burgverwalter. So ist an der Oberburg ein Bogen eingemauert worden, der nicht zu den im Turm sichtbaren Treppenresten passt. Gut gedacht, aber nicht gut gemacht.
Na ja, Hans-Georg Gerlach nimmt einiges inzwischen gelassen, fungiert als geduldiger Führer und beantwortet Fragen. Die Burg präsentiert sich bei unserem Besuch im Hinblick auf vergleichbare Anlagen blitzsauber - sorgsame Müllentsorgung wird bei Pfadfindern schon immer großgeschrieben. Auch anderer Leute Hinterlassenschaften sammeln sie nach größeren Camps ohne große Worte mit auf.

"Tja, ich bin gespannt, wer das mal nach mir machen wird", sinniert Gerlach und runzelt die Stirn. Wenn man das wüsste. Das mittelalterliche Glanzstück an Deutschlands schönster Wanderroute hätte ein wenig Unterstützung verdient. Vielleicht kommen bei der größten Wanderung des Jahres, den "24 Stunden" von Rheinland-Pfalz, dem Benefizwandern für Kinder in Not am 15. und 16. Juni, auch die Probleme der Schmidtburg mit auf den Tisch. Denn Hunderte teils prominente Wanderer werden die Burg bei ihrer Tagestour über die Traumschleife passieren und besichtigen. Dann wird Hans-Georg Gerlach sicher den ein oder anderen Becher Kaffee ausschenken und das ein oder andere Renovierungsproblemchen dabei mitansprechen.

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