Der "Vogelflüsterer"

Die Nachbarschaft, ein Vogel, die Kommunikation zwischen Mensch und Tier und dass man von einem "Opa" noch viel lernen kann: All das spielt in der heutigen Heimatgeschichte eine Rolle. Der Wittlicher Alfred Roth hat sie für den TV aufgeschrieben.

 „Vogelflüsterer“ Alfred Roth mit der seiner „Flugschülerin“, der jungen Dohle. Foto: privat

„Vogelflüsterer“ Alfred Roth mit der seiner „Flugschülerin“, der jungen Dohle. Foto: privat

Wittlich. (red/sos) "Vor etwa acht Tagen kam Murat, unser Nachbar, sechs Jahre alt, ganz aufgeregt zu uns und sagte: ,Komm ganz schnell, Opa!'", erzählt Alfred Roth, den der kleine Junge einfach zu seinem Opa gemacht hat. Murat erklärte ihm: "Wir haben einen Vogel, der kann nicht fliegen." Seine Mama hatte eine junge Dohle auf der Straße gefunden und in einen Karton gesetzt. Er hatte keine sichtbaren Verletzungen, konnte aber nicht fliegen. "Wir setzten ihn dann im Garten auf den Komposthaufen. Wir hofften daß er es schafft. Die Altvögel lockten mit Rufen und waren ganz aufgeregt", erzählt Alfred Roth weiter. Die kleine Dohle marschierte in den darauf folgenden Tagen in allen Nachbarsgärten herum. Nur fliegen wollte, oder besser gesagt konnte sie nicht. Die Eltern waren von morgens bis abends um sie herum und lockten und fütterten sie. Doch sie hob einfach nicht ab, auch Vögel müssen das Fliegen erst mal lernen. Doch der Findling war immer munter und augenscheinlich auch gesund. Dann machte sie einen doch gewaltigen Flug von der Erde auf die Gartenbank der Familie Roth. "Das waren immerhin schon 50 Zentimeter Höhe. Dann kam sie auch noch auf die Lehne. Zufällig sah ich sie", erzählt der Wittlicher: "Langsam näherte ich mich der Bank. Sie schaute mich interessiert an. Ich setzte mich zu ihr und redete ihr gut zu. Erst war sie noch ein wenig aufgeregt, aber das gab sich schon bald. Danach machte ich ganz langsame Bewegungen mit den Armen, um sie an mich zu gewöhnen und rückte dabei immer etwas näher. Sie hatte schon fast keine Angst mehr. Nur die Eltern flogen ganz aufgeregt über uns." Alfred Roth rief seinen Nachbarn Thomas, um ein Foto zu machen. Er sagt: "Sonst glaubt mir das ja doch keiner. Dann fasste ich mir ein Herz und nahm den Vogel in die Hand und setzte ihn auf das Dach vom Schuppen unter dem Kirschbaum. Das war ja für die Dohle nach zehn Tagen Erdendasein, im wahrsten Sinne des Wortes, ja eine große Höhe." Aber fliegen wollte sie immer noch nicht. Ein kleiner Hüpfer in den Kirschbaum war der nächste Riesenschritt, oder Flug?. Im Kirschbaum ging's dann zu Fuß von Zweig zu Zweig. "Plötzlich …, nein sie flog immer noch nicht, sondern landete wieder auf der Erde. Jetzt versuchte ich sie noch mal zu fangen und dann: Der erste Flug von rund sechs Metern", freut sich der Flugstundenlehrer und erzählt weiter: "Danach saß die kleine Dohle auf Nachbars Gartenzaun. Wieder nahm ich sie dann in die Hände, sie hatte wohl keine Angst mehr vor mir und ließ sich leicht fangen. Dann sagte ich: ,So, Jakob, jetzt wird richtig geflogen.' Mit Schwung warf ich sie in die Luft und … sie flog, ja sie flog wirklich und in einer kühnen Kurve in einen Baum und landete unversehrt. Die Freude der Elterntiere war richtig zu hören, hatte doch ihr Sprößling seinen ersten Flug absolviert. Thomas, der beim Kirschenpflücken war, hatte das alles beobachtet. Sein Kommentar: Der Vogelflüsterer! Es war einfach herrlich. In den ganzen Tagen zuvor waren die Rufe der kleinen Dohle und das Locken und Warnen der Elterntiere den ganzen Tag über zu hören. Heute: Stille. Nur friedliches Gezwitscher. Unsere Dohlen haben es geschafft, vielleicht mit ein klein bißchen Hilfe von mir. Ich bin einfach happy."

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