„Der Weg zu einer wunderbaren, mysteriösen Metamorphose“

Die Sopranistin und Ariadne-Darstellerin Vera Wenkert im Gespräch mit Musikdramaturg Dr. Peter Larsen

P.L.: Frau Wenkert, unter den großen Frauengestalten in den Strauss-Opern nimmt Ariadne eine Sonderstellung ein. Genau genommen ist sie die Primadonna eines Opernensembles, die die Rolle in einer Aufführung zu spielen hat. Ist Ariadne somit nicht eher eine Rollenbezeichnung als eine wirkliche Figur?

Vera Wenkert: Das Besondere bei ARIADNE AUF NAXOS ist die Tatsache, dass der Zuhörer durch das Vorspiel einen Blick auf die menschlichen Träume, Eitelkeiten und Aufregungen vor einer Opernaufführung werfen kann. Die Figur der Ariadne definiert sich als eine mythische Prinzessin, die wir zu Beginn der Oper im Stück in einer unerträglichen Situation erleben. Von Theseus verlassen, ersehnt sie in ihrem Schmerz den Tod. Es ist somit die Konzentration auf Erfahrungen und Sehnsüchte eines Menschen, die diese Oper auszeichnet. Ariadne erfährt extreme menschliche Zustände: Das Leben, das einen trotz aller Trauer und allem Schmerz nicht loslässt; den aufkommenden Wahnsinn, hervorgerufen durch ihre Todessehnsucht, und schließlich die Metamorphose durch Bacchus.

P.L.: Die "Theater-auf-dem- Theater"-Situation bewirkt, dass Ariadne die Fäden der Handlung nicht immer im Griff hat. Da laut Anordnung des Mäzens ein Unterhaltungsstück mit Komödianten unter Führung der koketten Zerbinetta zeitgleich zur Ariadne- Handlung aufgeführt werden soll, erscheint die mythische Szenerie nicht pur auf der Bühne. Was bringen für Sie die "Störungen" durch Zerbinetta und ihre Truppe mit sich?

Vera Wenkert: Zerbinetta verkörpert das leichtlebige Prinzip. Sie flattert von Mann zu Mannund versucht, Ariadne von ihrer völlig anderen Lebensauffassung zu überzeugen. Ariadne ist ihren Glaubenssätzen an Treue und der einen, der einzigen Liebe jedoch so verhaftet, dass sie sich nur ärgerlich abwendet.

P.L.: Was steht für Sie im Vordergrund dieser Oper?

Vera Wenkert: Lediglich die Persiflage auf den Theaterbetrieb ins Zentrum zu rücken, würde für mich zu kurz greifen. Das Kernstück der Oper ist die Annäherung und der Weg zu einer wunderbaren, mysteriösen Metamorphose.

P.L.: Und zu dieser Metamorphose kommt es, als Bacchus, der Gott der sinnlichen Liebe, sich Ariadne am Ende nähert...

Vera Wenkert: Am Schluss wird der doppelte Irrtum aufgeklärt. In dem ekstatischen Duett verwandelt die Liebe beide. Bacchus erkennt seine Göttlichkeit an und Ariadne ihr Mensch-Sein, und sie sagt "Ja" zum Leben. Das Diesseits und das Jenseits vermischen sich. Man darf nicht vergessen, dass Richard Strauss nicht nur Hellenist war, sondern auch stark von den Ideen der Aufklärung beeinflusst war. Aber das führt über den Rahmen hinaus...

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