Der Wittlicher Briefe-Krieg

WITTLICH. Verraten und verkauft: Zwölf Wittlicher Innenstadtkaufleute machen in einem Brief gegen das in der Oberstadt geplante Einkaufszentrum "Schlossgalerie" mobil und beziehen sich dabei auf Aussagen der "Briefe an die Wittlicher" von Architekt Ede Binz, der sich ebenfalls massiv gegen "den Kasten" wehrt. Im Stadtrat bezog nun Bürgermeister Ralf Bußmer Position. Titel seiner Rede: "Irren ist menschlich."

Das Einkaufszentrum (EKZ) "Schlossgalerie" stand eigentlich nicht auf der Tagesordnung der Stadtratssitzung am Donnerstagabend. Doch Bürgermeister Ralf Bußmer entschied sich, auf die "aktuellen Irritationen" zu reagieren. Der Anlass: In einem Brief haben zwölf Innenstadt-Kaufleute und Ladenlokal-Vermieter ihre Bedenken gegen das EKZ im Rahmen des Planoffenlegungsverfahrens im Stadthaus hinterlassen. Entsetzt fragen die Kaufleute: "Sind wir die Kollateralschäden der Stadt Wittlich? Ist es Ziel, dass nur noch das Einkaufszentrum und die Zentren auf der grünen Wiese laufen?" Hintergrund: Die "Schlossgalerie", die zwischen ZOB und Postgebäude an Schloss- und Kurfürstenstraße entstehen soll, hat bereits jetzt als so genannte Ankermieter die Filialisten C&A und Drogerie Müller an Bord und auf mehr als 6000 Quadratmetern Verkaufsfläche auch genug Platz, um viele weitere Läden zu beherbergen (der TV berichtete mehrfach). "Eine Ansiedlung dieser Größenordnung mit diesem Sortiment in direkter Nähe unserer Geschäfte in der Altstadt halten wir nicht nur für sehr gefährlich, sondern es bedroht unsere Existenz", schreiben die Kaufleute. Dabei beziehen sie sich auf Aussagen des Architekten Ede Binz in seinen "Briefen an die Wittlicher" (der TV berichtete) und folgern: "Wir werden von unserer eigenen Stadt verkauft.""Unwahrheiten kolportiert und Ängste geschürt"

Das konnte Stadt-Chef Bußmer nicht unkommentiert lassen. In seiner Rede "Irren ist menschlich - Die Erde ist eine Scheibe?!" kritisiert er nicht nur aufs Schärfste den Inhalt der "ungefragt versendeten" Briefe des "sonst geschätzten Herrn Binz", sondern wehrt sich auch dagegen, dass das EKZ als Sündenbock für Ladenleerstände herhalten soll. Bußmer: "Ich könnte den Aufruhr verstehen, wenn das EKZ auf der grünen Wiese geplant wäre, aber wir planen es extra in der Oberstadt, damit davon auch die Innenstadt Impulse bekommt." Zudem betont er, dass sich in dem Brief zwölf von 120 Kaufleuten beschwert haben, der Brief also keineswegs die mehrheitliche Meinung wiedergibt. Die Diskussion um die Parkplätze, die wegen des EKZ verloren gehen, hält er angesichts von 1700 Innenstadt-Parkplätzen für eine "Luxusdiskussion". Zudem verbessere sich die Parkplatzsituation sogar, da auf dem Parkdeck des EKZ 145 neue Parkplätze entstehen, für die 90 derzeitigen, die durch den Bau wegfallen. Da durch das EKZ eine Passage geplant ist, sei auch der Vorwurf, das Gebäude hätte eine "Sperrwirkung" für Fußgänger, die in Richtung ZOB oder Schlossstraße wollen, nicht haltbar. Dass laut der Binzschen Briefe drei Gewerbegeschosse möglich sind, kommentiert Bußmer mit "komplett falsch" und verweist nochmals auf den Bebauungsplan mit zwei Gewerbegeschossen und einem Parkdeck. Bußmer: "Es werden Unwahrheiten kolportiert und damit Ängste geweckt. Aber Wittlich ist nicht im Neandertal und die Erde keine Scheibe. Das Einkaufszentrum bietet uns die Chance, die Innenstadt zu beleben, Kunden in großem Maße an unser Mittelzentrum zu binden und Arbeitsplätze zu schaffen." Die Sprecher der Fraktionen hoben alle hervor, dass der Bebauungsplan auf einer breiten Beschlussbasis einstimmig gefasst wurde. "Wir stehen hinter dem EKZ-Konzept und der Innenstadt", sagte Theodor Brock (CDU). "Ich verstehe nicht, warum einer mit Briefen solche Unsicherheit schürt", kommentierte Jörg Hosp für die FDP. Michael Wagner (Grüne) brachte seine Verwunderung zum Ausdruck, warum keiner der besorgten Einzelhändler im Vorfeld das Gespräch mit einer der Ratsfraktionen gesucht habe. Achim Gerke (SPD) sagte: "Statt einer Konkurrenz zu angestammten Geschäften ergibt sich doch für Innenstadt wie Einkaufszentrum eine Win-Win-Situation, bei der jeder vom anderen profitiert."

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