Deutschland sucht den Super-Schäfer

Landscheid · Über der Schäferidylle sind Wolken aufgezogen: Heute lässt sich von der Arbeit nur noch schwer leben, sagt der Landscheider Markus Dietz - auch, weil die Flächen fehlen. Der Wettbewerb der elf besten Schäfer Deutschlands in der Eifel will zeigen, was die Hüter und ihre Hunde leisten.

Landscheid. Hmpf, hmpf, hmpf. Sonst herrscht Stille. Hunderte Schafe recken ihre Köpfe dem saftigen Gras entgegen und kauen. Hmpf, hmpf, hmpf. Nur einer frisst nicht: Heinrich. Wie ein König thront er inmitten der Herde und schaut den Schafen kritisch zu. Nicht, weil er keinen Hunger hat, sondern weil er Gras nicht mag. Da verzieht sich der Ziegenbock lieber zur Hecke nebenan und knabbert am Gehölz. Oder er lässt seinen Bart von dem streicheln, der ihn mit der Flasche großgezogen hat: dem Landscheider Schäfer Markus Dietz. "Heinrich ist mein Maskottchen", sagt der - und klopft ihm kumpelhaft auf den Rücken.
Denn er soll Dietz am 3. und 4. September Glück bringen. Dann messen sich in Landscheid die elf besten Schäfer Deutschlands. Im Fokus des Wettbewerbs der Arbeitsgemeinschaft zur Zucht altdeutscher Hütehunde (AAH), den Dietz ausrichtet, stehen allerdings nicht sie selbst, sondern ihre wichtigsten Mitarbeiter. Franz und Toni zum Beispiel. Ein Ruf von Dietz genügt, und schon läuft einer der Hunde los. Die Schafe wissen Bescheid. Wer ausgebüxt ist, rennt zur Herde. Innerhalb weniger Sekunden sind die Tiere wieder beisammen. Nur ein kleines Schaf kommt nicht hinterher; es hat sich vermutlich einen Infekt eingefangen.
Leben und Tod, das gehört zum Job von Markus Dietz dazu. Es ist sein Traumberuf, aber ein schlecht bezahlter. Er lebt vom Verkauf der geschlachteten Lämmer - etwa 90 Euro pro Stück. Für die Wolle bekommt er so wenig, dass die Einkünfte die Kosten des Scherens meist nicht wettmachen. In diesem Jahr war es erstmals seit langem anders. "Da gab es 1,25 Euro für ein Kilogramm Wolle. In den vergangenen Jahren waren es meistens nur 60 bis 70 Cent." Etwa 3,5 Kilogramm wirft ein Schaf beim Scheren ab. Der Beruf hat sich geändert. Wie alles in der Landwirtschaft. Seit etwa 200 Jahren gibt es in der Familie Dietz Schäfer. Anfangs übernahm der gelernte Maurer 140 Schafe, 2003 gab er seinen Job am Bau auf und kümmerte sich hauptberuflich um die Tiere.
Vier Stunden wandern pro Tag


365 Tage im Jahr, etwa zwölf Stunden am Tag. Jeden Morgen holt er die Hunde aus dem Zwinger und fährt zur Herde, die nachts von einem Elektrozaun umgeben ist. Dann ziehen sie weiter. Vier Stunden am Tag wird gewandert, in der restlichen Zeit gegessen. Im Sommer sind sie meist auf eigenen Wiesen unterwegs, im Winter "geht es in einem Umkreis von etwa 30 Kilometern auf Tour", wie der Schäfer sagt. "In den vorigen beiden Jahren musste ich aber zufüttern, weil die Schneedecke zu hoch war."
Die wenige Freizeit und das geringe Einkommen sind in den Augen des 45-Jährigen der Grund, warum 2010 nur noch 2000 Schäfer in Deutschland gezählt wurden. 2007 seien es noch 3500 gewesen. Laut statistischem Landesamt wurden 2003 im Kreis Bernkastel-Wittlich 10 613 Schafe gehalten, 2010 nur noch 6440. "Es gibt heute auch weniger Flächen, die Schäfer nutzen können", erklärt Dietz, vor allem weil viele bebaut oder für die Produktion alternativer Energien genutzt würden. Zudem sei früher weitaus mehr für die Wolle gezahlt worden. Nach Auskunft von Dietz gibt es noch zwei Wanderschäfer im Kreis Bernkastel-Wittlich und je einen im Kreis Trier-Saarburg und im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Ist Dietz krank, kümmert sich ein Landwirt um die 750 Tiere. Gegen Bezahlung, versteht sich. Dietz: "Das ist ein Leben. Und ein Überleben".

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