Dialekt fördert Denkvermögen

Im Süden Deutschlands wird der Dialekt mehr gepflegt als im Norden. Mittendrin, im Westen, ist die moselfränkische Mundart beheimatet. Sie lebt jedes Jahr bei den Mundarttagen auf.

 Franz-Josef Berg, Christiane Horsch, Ulf Hangert, Gudrun Hüls-Beth, Otto Maria Bastgen, Edmund Becker und Hans Sachsenröder (von links) präsentieren auf dem Nachbau des Neumagener Weinschiffs das Programm der Moselfränkischen Mundarttage. TV-Foto: Clemens Beckmann

Franz-Josef Berg, Christiane Horsch, Ulf Hangert, Gudrun Hüls-Beth, Otto Maria Bastgen, Edmund Becker und Hans Sachsenröder (von links) präsentieren auf dem Nachbau des Neumagener Weinschiffs das Programm der Moselfränkischen Mundarttage. TV-Foto: Clemens Beckmann

Neumagen-Dhron/Bernkastel-Kues/Kröv. "Wir müssen zu unserer Sprache stehen, sie ist ein Botschafter", sagt Christiane Horsch, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Neumagen-Dhron. Die Rede ist von der moselfränkischen Mundart (siehe Stichwort). "Sie gibt Heimat und ist wesentlicher Bestandteil der regionalen Identität", stimmt ihr Bernkastel-Kueser Amtskollege Ulf Hangert zu. "Aber sie geht verloren", befürchtet Otto Maria Bastgen, Bürgermeister der VG Kröv-Bausendorf, der die Mundart noch beherrscht.

Wissenschaftler: Nur wenige Kinder beherrschen Mundart



Die Wahrheit dürfte, wie so oft, in der Mitte liegen. Die pfälzischen, schwäbischen und bayerischen Dialekte sind gebräuchlicher als Moselfränkisch. "Je weiter es von Norden nach Süden geht, desto mehr wird Dialekt gesprochen", erläutert der Sprachwissenschaftler Peter Honnen (Amt für rheinische Landeskunde, Bonn). Nach einer schlüssigen Erklärung dafür werde allerdings noch gesucht. Honnen glaubt auch, dass die Dialekte bedroht sind. "Viele Kinder beherrschen sie nicht", sagt er. Dabei sei das wünschenswert. Honnen: "Wer mit einer Sprache und einem Dialekt aufwächst, besitzt ein besseres Denkvermögen."

Gudrun Hüls-Beth aus Kröv, eine Verfechterin des Moselfränkischen, berichtet, dass zumindest in ihrem Heimatort in vielen Familien noch Dialekt gesprochen wird. Der ist in dem Ort, so Bürgermeister Bastgen, sogar "Amtssprache" in den Gemeinderatssitzungen.

Winzer Edmund Becker aus Zeltingen-Rachtig hat die Mundart schon an die nächste Generation (Sohn und Tochter) weitergegeben. "Sie stirbt nicht aus", glaubt er. Mehr als 150 Gedichte und Geschichten hat er auf Lager und präsentiert sie regelmäßig. Franz-Josef Berg (Theaterverein "Minheimer Kuckuck") stellt fest, dass es auch junge Leute auf die Bühne zieht. Die Minheimer Laienschauspieler spielen ihre Stücke seit 1987 in Mundart.

Es gibt Anstrengungen, sie für folgende Generationen zu erhalten: zum Beispiel mit dem Grafschafter Mundart-Wörterbuch von Ewald Pick. Sprachwissenschaftler Honnen ist unter anderem als Berater für das neue Trierer Wörterbuch aktiv.

Mit zum Erhalt tragen auch die Moselfränkischen Mundarttage bei, die in wenigen Tagen in ihre 22. Auflage gehen (siehe Programm). Organisiert wird die Veranstaltungsreihe in diesem Jahr von den Verbandsgemeinden Bernkastel-Kues, Kröv-Bausendorf und Neumagen-Dhron. Programm Das Programm der Moselfränkischen Mundarttage: Die Auftaktveranstaltung (Eintritt neun Euro) mit einem bunten Programm ist am 23. Oktober, 20 Uhr; in der Grafschafter Festhalle in Mülheim. Der traditionelle Mundartabend in der Reichsschenke "Zum Ritter Götz" in Kröv ist am 7. November (Eintritt frei). Am 20. November folgt die Mundart-Weinprobe im Franziskanerinnen-Kloster in Brauneberg-Filzen (Eintritt 25 Euro). Zudem stehen Theateraufführungen auf dem Programm. Die Theatergruppe des Heimatvereins Monzelfeld spielt im November "Dem Himmel sei Dank", der Wintricher Theaterverein im Dezember "Der Tag, an dem der Kater starb". Nächstes Jahr im April führen der Theaterverein "Minheimer Kuckuck" und das "Burgener Bühnchen" Stücke in Mundart auf.Stichwort Moselfränkisch wird im gesamten deutschsprachigen Moselraum sowie in der südlichen Eifel, im nördlichen Hunsrück, in Teilen des Saarlands und Ostbelgiens, in Lothringen, in Luxemburg sowie bis ins Siegerland (Nordrhein-Westfalen) gesprochen (Quelle Wikipedia). Vom Luxemburgischen abgesehen ist Moselfränkisch jedoch keine eigenständige Sprache mit Orthografie- und Grammatikregeln, sondern nur ein Dialekt. Er unterscheidet sich, so Wikipedia, deutlich von den übrigen deutschen Mundarten. Die Sprache an der Mosel klinge bunt und wild und werde von Menschen aus anderen Regionen nur schwer oder überhaupt nicht verstanden. Ein Kennzeichen ist, dass viele Wörter von Ort zu Ort unterschiedlich ausgesprochen werden. Beispiel: Kinner, Kanner, Kunner (für Kinder).

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