Die abenteuerliche Reise einer Kirchenglocke

Manderscheid · Sie existiert immer noch. Und das, obwohl die Glocke, die 200 Jahre in der Manderscheider Kirche hing, bereits zweimal eingeschmolzen werden sollte. Doch dazu ist es nicht gekommen. Nach einigen Stationen in ganz Deutschland ist sie jetzt wieder im Manderscheider Heimatmuseum zu sehen.

Manderscheid. So laut und imposant wie die Glocken von Rom ist die Manderscheider Glocke nicht. Aber wenn Hans-Jürgen Neuhaus den Klöppel des 500 Kilogramm schweren Geläuts, das im Heimatmuseum seinen Platz gefunden hat, mit der Hand anschlägt, ist das bis auf den Marktplatz zu hören.
60 Zentimeter ist die Glocke hoch, am unteren Rand hat sie einen Umfang von 80 Zentimetern. Dass sie für Manderscheid gegossen wurde und der Heiligen Donathe, der Heiligen Agathe und dem heiligen Josef geweiht ist, steht in einer Inschrift am oberen Rand. Aber es sind weder Klang noch Aussehen, die die Glocke für die Manderscheider so besonders machen. Es ist ihre Geschichte.
100 Klafter Holz


Als Manderscheid aufgrund von Krieg und Brand im Jahr 1746 verarmt war, schlugen die Manderscheider 100 Klafter Holz im Wald des Kurfürsten und Erzbischofs zu viel und durften es "zur Ehre Gottes" verkaufen. Der Erlös wurde für die Anschaffung einer Glocke verwendet. Sie hing anschließend 200 Jahre im Glockenturm, bis sie im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen und zu Kanonenkugeln gemacht werden sollte.
Diesem Schicksal entkam sie und wurde schließlich nach dem Krieg in Hamburg wiederentdeckt. Ein Manderscheider Bürger fuhr damals in die Hansestadt und brachte sie wieder zurück. "Sie ist unser letzter Kriegsheimkehrer", erklärt Hans Stölben vom Förderverein des Manderscheider Heimatmuseums. Aber die Glocke hatte einen Riss und konnte nicht mehr geläutet werden.
Für eine neue wurde sie 1967 bei August Mark von der Glockengießerei in Brockscheid in Zahlung gegeben. Dem Einschmelzen entging sie zum zweiten Mal: August Mark konnte sie reparieren und bewahrte sie anschließend in seiner privaten Glockensammlung im Keller der Gießerei auf. Da wurde sie durch Zufall im vergangenen Jahr von Manderscheidern entdeckt.
Ein Kulturgut der Stadt


Für den Förderverein war damals sofort klar: "Die Glocke ist ein Kulturgut unserer Stadt. Wir kaufen sie zurück", sagt Erich Pantenburg. Einen Betrag im oberen vierstelligen Bereich sollte sie kosten.
Da es keine Zuschüsse gab, sollte die Glocke mit Spendengeldern bezahlt werden. Als Ersten bat Hans-Jürgen Neuhaus den Bischof um eine Spende - und bekam gleich eine Abfuhr. "Das war für mich enttäuschend", erklärt Neuhaus. Froh war er aber, als mit der Hilfe von 29 Spendern aus der Burgenstadt der Betrag zusammenkam.
Als die Gelder auf dem Konto waren, wollten die rüstigen Herren die Glocke auf einem Autoanhänger nach Brockscheid abholen fahren. Aber da gab es eine Überraschung: "Sie war nicht mehr da", berichtet Neuhaus, "nach Kommern ins Freilichtmuseum war sie inzwischen ausgeliehen worden. Da ist momentan eine Sonderausstellung Kriegserleben im Rheinland. Also mussten wir sie von dort holen."
Inzwischen hängt sie im Heimatmuseum an einem selbst gezimmerten Glockenstuhl. Und die Fördervereinsmänner haben sie so gehängt, dass man sie problemlos mit einem kleinen Gummihämmerchen anschlagen und zum Klingen bringen kann. Für die Manderscheider ist das ein wunderschöner Klang, den sie seit 60 Jahren so nicht mehr in ihrer Stadt gehört haben. chb

Wer den Klang der Glocke hören oder sie anschlagen möchte, kann das am Sonntag, 17. August, tun: Von 11.30 bis 18 Uhr ist das Heimatmuseum beim landesweiten Museumstag geöffnet. Die Glocke wird gegen 11.30 Uhr noch einmal gesegnet und die Geschichte des Kulturdenkmals erzählt.

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