Die Ästhetik des Verfalls

Idar-Oberstein · Alte und verrottete Gebäude fotografiert der 22-jährige gelernte Edelsteinerschleifer mit Vorliebe. Oft entstehen dabei dramatische Szenen durchsetzt mit knalligen Farben.

Idar-Oberstein. "Grunge-mäßig" nennt er seine Fotos. Was die Kult-Gruppe Nirvana einst musikalisch auf die Ohren gab und als Grunge bezeichnet wurde, liefert Daniel Hofmann mit Hilfe von Fotos: Ein bisschen dreckig, mit morbidem Charme, vermittelt der 22-jährige Idar-Obersteiner Eindrücke und Gefühle zu einer Stadt, die zum Leidwesen vieler so manche sterbende Ecke hat.
Dramatische Szenen



Das Hertie-Parkhaus, das 2005 geschlossene Kammerwoog-Bad - Hofmann, gelernter Edelsteinschleifer, nimmt sich Facetten der Stadt vor, die schon lange nicht mehr so funkeln wie einst. Dramatische Szenen, knallige Farben, perfekte Ausleuchtung: So manches seiner Bilder macht der Realität Konkurrenz und eröffnet neue Blickwinkel.
Wie entstand die Liebe zur Fotografie? "Mein Vater, der 2007 verstorben ist, hat eigentlich schon immer fotografiert, früher analog und dann irgendwann digital. Im Laufe der Zeit wurde dann auch mal neue, digitale Fototechnik angeschafft, und ich habe den alten Kram übernommen."
Zunächst habe er mit der doch schon deutlich strapazierten, halb kaputten Kompaktkamera zwei Jahre lang rumgespielt und alles Mögliche ausprobiert: "Als das gute Stück letztendlich komplett über den Jordan gegangen war, habe ich mir dann von meinem ersten Azubi-Lohn endlich was Besseres kaufen können." Es hat für eine gute, gebrauchte Bridgekamera gereicht, mit der er mehr als drei Jahre lang fotografiert hat. "Allerdings merkte ich schon recht schnell, dass ich wieder etwas Besseres brauche."
Aber den Wunsch, mit einer hochwertigen Spiegelreflexkamera zu arbeiten, musste Hofmann erst einmal auf Eis legen: Zunächst war der Führerschein dran. Ein Jahr danach und einige verdiente Euros später hatte er schließlich im Jahr 2008 seine große, schwarze Spiegelreflex inklusive Objektiv in der Hand und war hellauf begeistert von der Optik und der "ganzen Technik, die da drin steckt".
Ab diesem Zeitpunkt ging es dann so richtig los: Immer mehr Zubehör und Objektive wurden gekauft. Um seine technischen und vor allem kreativen Ideen und Möglichkeiten zu erweitern, wälzte er Bücher, machte unzählige Bilder, verbrachte Stunden mit Bildbearbeitung und Tests: "Die Fotografie eben richtig erleben, leben, ausleben." Darum geht es mir."
Verrottete Gebäude


Seine Schwerpunkte liegen meist auf Langzeitbelichtungen und HDR (High Dynamic Range), die sehr eng mit der digitalen Bildbearbeitung verbunden sind: "Was bei mir noch relativ neu ist, ist das ‚Urban exploring\', also alte verrottete Gebäude und Industrieanlagen cool zu fotografieren. Ich gehe gemeinsam mit einem Freund auf Tour und entdecke so die Motive." In naher Zukunft möchte sich der junge Mann gern mehr mit Porträts befassen und "ein paar Leute vor meine Kamera locken, da ich in diesem Sektor noch nicht so viel gemacht habe". Einen Traum hat er: "Irgendwann mit der Fotografie mein Geld verdienen zu können. Überhaupt sehe ich meine Zukunft mehr in der Medienbranche und weniger in der Edelsteinindustrie. Ich arbeite ja im Augenblick bereits daran, aus meiner Arbeitslosigkeit den Weg in diese Richtung zu finden, auch wenn das vermutlich viel Geduld erfordert."
Wenn Hofmann nicht fotografiert, tourt er mit dem Mountainbike durch die Gegend: Die Kamera ist aber immer dabei.

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