Die ersten Sätze auf dem Weg zur Integration

Bernkastel-Kues · Etwa 340 Flüchtlinge suchen in der VG Bernkastel-Kues eine neue Heimat. Die ersten von ihnen haben nun in intensiven Deutschkursen die Grundlagen dafür geschaffen. Viele ehrenamtliche Helfer stehen ihnen zur Seite.

Bernkastel-Kues. Was genau die Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte ist und tut, wissen die 16 Flüchtlinge, die in der Bibliothek der Einrichtung sitzen, nicht. Was sie dort in den vergangenen Monaten gemacht haben, wissen sie schon. Sie haben die erste Bekanntschaft mit der deutschen Sprache gemacht und bekommen nun die offiziell anerkannten und mit Noten versehenen Zertifikate.Namen sind Zungenbrecher


Es ist eine eindrucksvolle Zeremonie. Der Betrachter hat den Eindruck, es handele sich um eine verschworene Gemeinschaft. Dabei kommen sie aus ganz unterschiedlichen Ländern: Syrien, Afghanistan, Eritrea, Lybien, Pakistan, Ägypten, Georgien, Aserbaidschan, Kosovo. Jedes Mal wenn Alex Licht, Vorsitzender der Akademie, und Ulf Hangert, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues, einen der Absolventen nach vorne bitten, bricht Jubel aus.
Licht und Hangert müssen sich konzentrieren. Die meisten Namen sind Zungenbrecher. Vorsorglich entschuldigten sich beide für mögliche Fehler bei der Aussprache.
Qaiser Abbas Kashefy hat mit dem besten Ergebnis abgeschnitten. Der 30-Jährige kommt aus Pakistan und hat dort als Apotheker gearbeitet. Er habe auch für das Fernsehen gearbeitet, sich dabei Feinde gemacht und sei vom Tod bedroht gewesen.
Jetzt lebt er in Maring-Noviand. Dort bekomme er viel Hilfe. "Danke für alles", sagt er. Um wieder in einer Apotheke arbeiten zu können, muss er sich weiterbilden. Dazu steht er mit der Bundesapothekenkammer in Kontakt.
Shota Gubeladze ist aus Georgien nach Deutschland geflohen. Sein Familie hat dort ein Weingut, bekommt für ihre Weine auch ganz anständige Preise. Ein Wirtschaftsflüchtling ist er, wie Kashefy, also nicht.
Er habe Theaterkritiken verfasst und kleine Schauspieltexte geschrieben. "Dadurch habe ich große Probleme bekommen", erzählt er. Gemeinsam mit seiner Frau Salome, die wie er zu den besten Absolventen zählt, wohnt er in Lieser. Er hat auch schon einen Job gefunden, arbeitet als Küchenhilfe im Brauhaus im ehemaligen Kueser Bahnhof und hofft, dass daraus mehr wird.Erst Praktikum, dann Lehre?


Farhad Sayedi (18) kommt aus Afghanistan. Er absolviert derzeit ein Berufsorientierungspraktikum in der Metallbaufirma Roth in Monzelfeld. Finden beide Seiten Gefallen aneinander, sollen ein richtiges Praktikum und danach eine Ausbildung zum Metallbauer daraus werden. Er wohnt mit Bakhpawor Shaheen, ebenfalls aus Afghanistan, in Kommen. Für den sucht Hiltrud Kolz aus Longkamp, die beide betreut, eine Stelle im sozialen Bereich.
Sie hilft wo sie kann und wird von beiden schon "Mutti" genannt. Detlev Roegler (Andel) stand und steht mehreren Personen und Familien zur Seite. Seine Motivation fasst er in einem Satz zusammen: "Diesen Menschen muss geholfen werden." Er arbeitet auch bei der Ehrenamtsbörse der VG mit. "Da liegt es auf der Hand, dass ich auch hier helfe", sagt er.
Matthias Vollet, Geschäftsführer der Akademie und der in sie integrierten Volkshochschule, hat viel Kontakt mit den Flüchtlingen. "Es war ein weiter und gefährlicher Weg für sie", blickt er auf die Flucht zurück. "Jetzt müssen sie sich in der deutschen Bürokratie zurechtfinden." Der erste Schritt sei das Erlernen der Sprache. Die Volkshochschule habe sich mit ihren unterschiedlichen Kursen darauf eingerichtet. "Sie sind über eine Brücke in ein neues Land, in eine neue Gesellschaft gegangen", sagt Alex Licht den Absolventen. Hier warteten neues Leben, neue Werte und neue Gedanken. Licht: "Ohne die Brücke hinter sich abbrechen zu müssen."
Bürgermeister Ulf Hangert lobt die vielen ehrenamtlichen Helfer: "Ohne sie wäre das alles nicht möglich." cb

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