Die Heiligen mit den Minusgraden

Zu den Eisheiligen (auch "Eismänner" oder "gestrenge Herren" genannt) zählen drei (regional unterschiedlich auch vier oder fünf) Namenstage von Heiligen vom 11. bis 15. Mai. Die Eisheiligen sind in Mitteleuropa meteorologische Singularitäten. Laut Volksglaube wird das milde Frühlingswetter erst mit Ablauf der "kalten Sophie" (15. Mai) stabil.

 Damit muss man bis Mitte Mai rechnen: Eis und Schnee auf den Blüten. Foto: istock

Damit muss man bis Mitte Mai rechnen: Eis und Schnee auf den Blüten. Foto: istock

Daun. Es kursiert ein lustiger Witz. Der Lehrer fragt: "Wer kann mir die drei Eisheiligen nennen?", und der kleine Schüler nennt sie: "Langnese, Schöller und Dr. Oetker!"

Nach dem Lachen kehrt die Besinnung ein. Wer waren denn wirklich die drei Eisheiligen? Und welche Verdienste haben sie denn, dass sie zu Heiligen wurden, mancherorts aber auch die "Eismänner" oder "die streng Hären" genannt werden?

Die Namen und Gedenktage von drei Heiligen im Monat Mai verbinden sich mit diesem Begriff: Pankratius (12. Mai), Servatius (13. Mai) und Bonifatius (14. Mai). Alle drei waren Bischöfe und Märtyrer aus dem 4. und 5. Jahrhundert. Mamertus wird dem 11. Mai zugerechnet. Pankratius war der Sohn eines wohlhabenden Phrygiers. Im Jahre 304 soll er der Legende nach mit 14 Jahren in Rom enthauptet worden sein.

Servatius, der vermutlich aus Armenien stammt, war wohl der erste Bischof im heute belgischen Tongeren. Der Heiligenlegende nach warnte er die Bürger von Tongeren vor dem Hunneneinfall, verlegte dann seinen Bischofssitz nach Maastricht, wo er am 13. Mai 384 auch verstarb.

Bonifatius, in Rom geboren, wurde um 306 während der Christenverfolgung in Tarsus (Türkei) als Märtyrer durch siedendes Pech umgebracht.

Doch was haben diese Heiligen mit dem Eis zu tun? Die volkstümliche Bezeichnung ist auf die jahrhundertealten Erfahrungen und Beobachtungen von Bauern zurückzuführen. In deren Wetteraufzeichnungen stellten sie fest, dass fast immer um die Hälfte des Monats Mai, zu den Gedenktagen jener Heiligen, strenge, kalte Tage und Nächte mit Nachtfrostgefahr auftreten, die den Saaten, Pflanzen und Blüten gefährlich werden konnten. "Warte die Eisheiligen ab", raten erfahrene Gärtner. "Pflanze erst nach der kalten Sophie!"

Und damit nennt man eine weitere "Eisheilige", die heilige Sophia von Rom. Sie war ebenfalls eine Märtyrerin, die um 304 während der Diokletianischen Verfolgung in Rom getötet wurde. Ihr Festtag ist der 15. Mai, und sie gilt bis heute als Patronin gegen Spätfröste, deren Name sogar eine Pflanze trägt, das Sophienkraut.

Die Feststellung, dass in jenen Tagen stets Kälte und Frost Wachsen und Gedeihen verhindern, kann die "moderne Wetteraufzeichnung" nicht bestätigen. Abgesehen davon, dass Kalenderreformen vergangener Jahrhunderte diese feststehenden Heiligentage variieren ließen, sind die Temperaturschwankungen und klimatischen Verhältnisse, angefangen von der Nordseeküste bis hin zum Alpenrand, sehr unterschiedlich und lassen keine allgemeingültige Wetterregel zu. Die Wissenschaft stellte eindeutig fest, dass es keinen typischen Zeitraum für Kälterückfälle im Mai gibt.

Es wurde aber auch in langjährigen Beobachtungsreihen gemessen, so steht es zumindest im Brockhaus, dass eine Bodenfrostwahrscheinlichkeit zwischen dem 11. und 15. Mai noch bei 18 Prozent liegt und danach auf unter fünf Prozent absinkt. Auch ist dort zu lesen, dass es in vier von zehn Jahren tatsächlich bis Mitte Mai noch zu Bodenfrost kommt, danach kaum mehr. Ob diese älteren Angaben aber auch heute, wo man von Erderwärmung spricht, noch zutreffen, müsste untersucht werden.

Dennoch: Nach wie vor sind die Eisheiligen noch im aktiven Sprachgebrauch und im landwirtschaftlichen Verhalten vieler gang und gäbe. Verschiedene Bauernregeln und Sprichwörter nehmen auf die Eisheiligen Bezug: "Servaz muss vorüber sein, will man vor Nachtfrost sicher sein"; "Pflanze nie vor der kalten Sophie"; "Vor Bonifaz kein Sommer, nach der Sophie kein Frost."

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