Die inszenierte Katastrophe

Bernkastel-Wittlich · Großeinsatz für 500 Rettungskräfte: Am Samstag, 20. September, wird ein Katastrophenfall am Bahnhof Wittlich in Wengerohr inszeniert. Ein Bus stürzt auf die Gleise, wird von einem Güterzug erfasst. Die Zahl der Verletzten ist unübersichtlich, als der Notruf eingeht. Das gehört zur spektakulären "Übung Bahn 2014".

Bernkastel-Wittlich. "Gegen 11 Uhr gibt\'s den großen Knall", sagt Jörg Teusch. Er hat eine Katastrophe mitgeplant, einen Horror-Unfall, und zwar für den guten Zweck. Samstag, 20. September, ist Tag X. Der Plan wird zu Übungszwecken Realität. Ein Linienbus mit 50 Menschen stürzt am Bahnhof beim Wenden auf die Gleise. Er wird von einem Güterzug erfasst, mitgerissen und fällt um. Ein mit Diesel beladener Kesselwagen kippt ebenfalls um. Ein aus dem Bahnhof herausfahrender Nahverkehrszug rollt in ihn hinein. Die Zahl der Verletzten ist unübersichtlich, als der Notruf eingeht. Die Freiwilligen der Feuerwehr, Mitglieder vom Deutschen Roten Kreuz, Malteser Hilfsdienst, Rettungshundestaffel, das Technische Hilfswerk sowie an die 100 Einsatzkräfte der Polizei rücken im Großaufgebot aus. Das ist das Szenario der in jeder Hinsicht spektakulären "Übung Bahn 2014" am Samstag, 20. September. Fast zwei Jahre haben sich die Planungen für diesen Einsatz unter möglichst realistischen Bedingungen hingezogen. Unter anderem wurde nach langem Suchen ein alter Bus gekauft, der präpariert wird. Die Bahn AG macht mit und stellt Gelände, Güter- und Personenzug zur Verfügung. All dies wird schon freitags arrangiert. Dazu kommen Darsteller für die zahllosen Verletzten. Dafür gibt es spezielle Teams, die ein solches Schauspiel üben, für das sie entsprechend geschminkt werden. "Die sind wirklich professionell und können das realistisch umsetzen. Bei den Darstellern der Verletzten sind Leute, die können auch zwei Stunden jammern und echten Stress erzeugen", sagt Jörg Teusch. Immerhin soll die Großübung zeigen, wie die Zusammenarbeit im Katastrophenschutz des Landkreises funktioniert, um für die Zukunft noch besser gerüstet zu sein. "Wir wollen unter möglichst realistischen Bedingungen prüfen, wie es sich verhält, wenn an einem Tag alle verschiedenen Einsatzkräfte schnell und effektiv zusammengeführt werden müssen", sagt Kreisfeuerwehrinspekteur Willi Herres. "Es wird sich zeigen, wie belastbar unsere Strukturen und Systeme sind. Das können wir nur so testen." Jörg Teusch ist einer der vielen Fachleute, die im Hintergrund dafür sorgen, dass im Katastrophenfall im Landkreis alles möglichst glatt läuft, denn dafür sind die Spezialisten der Führungsgruppe Technische Einsatzleitung da. Ihr Kopf ist Willi Herres, seit 14 Jahren Kreisfeuerwehrinspekteur, der die Anregung gab, eine solche Übung zu wagen. Es ist seit 25 Jahren die größte Katastrophenübung im Landkreis: "Bei der Übung wird wohl nicht alles so glatt laufen, wie das Drehbuch es vorsieht. Und dann, wenn sie läuft, ist das so real wie im Ernstfall. Und es zeigt sich, wie die Koordination von so vielen Helfern klappt."Als Kosten für den Tag (ohne Planungseinsatz) nennt Ralph Scheid, Kreisverwaltung, 15 000 Euro, die womöglich nicht ganz investiert würden.Der normale Zugverkehr soll an diesem Tag nicht beeinträchtigt werden. Die Bahn wird ihre Gäste über das Szenario informieren. Und es wird Platz für die Bürger geben, die Augenzeugen beim Einsatz sein wollen. Jörg Teusch: "Die Bahnhofstraße wird gesperrt. Da werden die realen Verkehrsmaßnahmen getestet. Dort ist ein Bereich, in dem die Bürger die Übung beobachten können. Das ist ausdrücklich erwünscht. Sie sollen sehen, dass im Ernstfall schnellstmöglich Hilfe kommt."Die Kooperation hat in Lagen ähnlicher Größenordnung in der Realität schon geklappt. Dazu zählen der Kröver Felssturz, das Hochwasser 93/94, das Fischsterben 1976.Meinung

Hand in Hand, statt auf PapierSchauübungen der örtlichen Feuerwehren sind üblich: Die freiwilligen Helfer opfern auch dafür ihre Freizeit, meist am Wochenende. So bleiben sie routiniert einsatzbereit in ihrem gefährlichen Hobby, bei dem sie Leben retten. Wie der Einsatz in Morbach zeigte, riskieren sie einiges: Wer kümmert sich gerne um ein explosives, gesundheitsgefährdendes Gift, wie Toluol, das im Hunsrückort ausgelaufen ist? Und wer kümmert sich darum, Schwerverletzte zu bergen, eine funktionierende Zwischenklinik aufzubauen, alle Kräfte bei einer Katastrophe koordiniert einzusetzen, zu informieren und so weiter? Das tun im Hintergrund viele, Gott sei Dank überwiegend auf dem Papier: Sie bauen Strukturen und eine Organisation auf, die im Ernstfall gebraucht wird. Eine Übung in diesem großen Rahmen ist daher kein Luxus, sondern gibt mehr Sicherheit, zeigt, wo Nahtstellen noch nicht passen, was geändert werden muss. Dass dafür wieder ein Samstag geopfert werden muss, ist Ehrensache. Selbstverständlich ist das nicht, aber überlebenswichtig. s.suennen@volksfreund.de

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