Die Manager der Katastrophe

Bernkastel-Wittlich · Flugzeugabsturz, Krankenhaus evakuierung, Hochwasser: Bei sogenannten Großschadenslagen übernimmt die Führungsgruppe Technische Einsatzleitung das Kommando. Aber lässt sich ein solcher Einsatz überhaupt planen?

 Beim Großbrand in Kleinich Mitte Juni übernimmt die Führungsgruppe Technische Einsatzleitung die Absprachen mit dem Flugplatz Hahn, dem Nachbarkreis Rhein-Hunsrück und den Rettungskräften. TV-Foto: Archiv/Christoph Strouvelle

Beim Großbrand in Kleinich Mitte Juni übernimmt die Führungsgruppe Technische Einsatzleitung die Absprachen mit dem Flugplatz Hahn, dem Nachbarkreis Rhein-Hunsrück und den Rettungskräften. TV-Foto: Archiv/Christoph Strouvelle

Bernkastel-Wittlich. Ein Zug entgleist am Wittlicher Hauptbahnhof. Zahllose Verletze sind eingeklemmt und schreien um Hilfe. Viele Passagiere sind tot. Es ist dunkel, und nur schwer können sich die Helfer einen Überblick über die Lage verschaffen. Doch jede Minute zählt.
Ein Horrorszenario, wie es sich im Kreis Bernkastel-Kues noch nicht ereignet hat - aber jederzeit möglich wäre. Deshalb bereitet sich die Führungsgruppe Technische Einsatzleitung auf solche Großschadenslagen vor, wie sie im Behördendeutsch heißen. Fünf Alarmstufen werden unterschieden. Bei den ersten drei - darunter fallen beispielsweise kleine bis mittlere Brände - können sich die Gemeinden selbst behelfen. Kommt es aber zu einem Ereignis, das die Grenzen der Verbandsgemeinden überschreitet und von größerem Ausmaß ist, also zum Beispiel viele Verletzte fordert, übernimmt die Technische Einsatzleitung die Führung des Einsatzes und koordiniert die Rettungskräfte.
Alarmpläne, die sozusagen die Marschroute vorgeben, gibt es für Hochwasser und Eisgang, Waldbrand, Gesundheit - beispielsweise bei einer Pandemie, der Ausbreitung einer Infektionskrankheit - und für große Autobahnunfälle. "Durch unseren Kreis führen eine Eisenbahnlinie und eine Schifffahrtsstraße, es gibt den Flughafen Hahn und das Gaslager in Sehlem", beschreibt Kreisfeuerwehrinspektor Willi Herres die Gefahrenpunkte. "Auch ein längerer Stromausfall im Krankenhaus wäre eine Katastrophe." Ein Ereignis der Alarmstufe fünf hat es im Kreis bisher noch nie gegeben.
Eine Definition einer Großschadenslage gibt es nicht, heißt es aus dem rheinland-pfälzischen Innenministerium. "Mit einer Ausnahme: Bei einem nuklearen Notstand greift die Terminologie des Bundes, und in RLP geht dann die Einsatzleitung auf den Präsidenten der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion über."
Eigentlich hat der Landrat die Katastrophenschutzleitung inne; er überträgt sie aber an die Fachleute. Die Führungsgruppe Technische Einsatzleitung setzt sich aus Brandschützern verschiedener Wehren des Kreises zusammen. An deren Spitze stehen der Kreisfeuerwehrinspektor und Teamleiter Konrad Becker. Dazu kümmern sich Kollegen um Bereiche wie Logistik, also die Verteilung von Einsatzmitteln wie Pumpen und Sandsäcken bei einem Hochwasser, oder Information und Kommunikation. So hat die Einsatzleitung beim Großbrand in Kleinich Mitte Juni zum Beispiel die Absprachen mit dem Flugplatz Hahn, dem Nachbarkreis Rhein-Hunsrück und den Rettungskräften übernommen. In diesem Fall hatte der örtliche Wehrleiter die Experten angefordert, auch wenn es sich nur um die Alarmstufe drei handelte - das ist ebenfalls möglich. Auch ein Notarzt gehört bei medizinischen Notfällen zu den Führungskräften.
Im Schnitt wird die seit 2007 existierende Technische Einsatzleitung ein- bis zweimal im Jahr alarmiert. 2011 war sie bereits dreimal im Einsatz: außer beim Hochwasser im Januar und dem Brand in Kleinich beim Rheinland-Pfalz-Tag in Prüm, um für die Sicherheit zu sorgen. Immer wieder wird die Zusammenarbeit geprobt, wie jüngst bei einer Stabsübung in Dreis, bei der eine Unwetterlage simuliert wurde, die mehrere Orte betraf. Dennoch: "Perfekt vorbereiten kann man sich auf eine Katastrophe nicht", sagt Teamleiter Becker. Auch wenn seine Truppe ihr Bestes gibt.

Besetzung und Ausstattung: Die etwa 50-köpfige Führungsgruppe besteht aus dem Kreisfeuerwehrinspektor und seinem Stellvertreter beziehungsweise dem Teamleiter sowie weiteren Führungskräften, die den Bereichen Einsatz und Lage, Personal und Versorgung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Information und Kommunikation sowie Fernmeldedienst vorstehen. Im Ernstfall wird die Gruppe von Fachberatern aus den Gemeinden oder anderer Fachdienste und Behörden ergänzt. So gibt es zum Beispiel Fachberater für die Bereiche Bergung oder Funktechnik, die zum Teil aus Hilfsdiensten wie dem Technischen Hilfswerk oder dem Roten Kreuz rekrutiert werden. Der Einsatzleitwagen ist in Bernkastel-Kues stationiert, um alle Orte so schnell es geht erreichen zu können. Fast drei Jahre lang wurde an der Ausstattung gearbeitet, denn er ist unter anderem mit Funk und Telefon ebenso wie mit Computern ausgestattet, und all das muss auch funktionieren, wenn die öffentlichen Netze ausfallen. Zur Ausstattung gehören zudem unter anderem ein Boot, Chemikalien-Schutzanzüge und Pumpen. uq

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