Die Qual der Schulwahl

In den kommenden Wochen fällt in vielen Familien eine wichtige Entscheidung. In welche Schule ein Kind ab der 5. Klasse geht, kann Einfluss haben auf das ganze weitere Leben.

Wittlich/Trier. Die Entscheidungsbasis für die Eltern und die Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verändert, und zwar in doppelter Hinsicht. Die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule zur Realschule plus hat die Wahlmöglichkeiten reduziert, die Einrichtung einer Gesamtschule und eines G8-Gymnasiums hat die Auswahl im Gegenzug erweitert.

Experten raten, sich an Empfehlungen zu halten



Die Beantwortung der Frage "Welche Schule ist die beste für mein Kind" ist damit nicht leichter geworden. Zumal die Wissenschaft herausgefunden hat, dass die Entscheidung über die Schulform viel zu oft weniger von den Fähigkeiten des Kindes als von dem Wert abhängt, den die Familie der Bildung beimisst. Wo das Ansehen von Bildung nicht hoch ist, entscheide man sich häufig für die "niedrigere Schulform", sagt die Trierer Pädagogik-Professorin Michaela Brohm, "selbst wenn eine Gymnasial-Empfehlung vorliegt". Und das lege, mehr Durchlässigkeit hin oder her, "immer noch oft die ganze Schullaufbahn fest".

Ihr Rat ist deshalb eindeutig: Eltern sollten "die höchste Schulform wählen, die ihr Kind noch schaffen kann". Nicht Überforderung, aber Herausforderung sei angesagt. Eine Meinung, die wohl nicht bei allen Gymnasien auf Begeisterung stößt - zumindest so lange sie noch überfüllt sind.

In einem Punkt deckt sich Brohms Rat aber mit den Erfahrungen von Anette Müller-Bungert vom Trierer Zentrum des pädagogischen Landesinstituts, bekannter unter dem Namen schulpsychologischer Dienst. Die erfahrene Beraterin kann sich an "keinen einzigen Fall erinnern", wo ein Kind psychologische Hilfe gebraucht habe, weil es von einer höheren Schule habe abgehen müssen.

Auch Müller-Bungert rät grundsätzlich, sich an die (freiwillige) Empfehlung der Grundschule zu halten, denkt aber dabei auch an Kinder ambitionierter Eltern, die aufs Gymnasium sollen, obwohl keine Empfehlung vorliegt. Wer diesen Weg gehen wolle, müsse "sicher sein, dass er die Zeit und Energie aufbringt, das Kind intensiv zu unterstützen - manchmal bis zum Abi".

Neben dem Kriterium der Leistungsfähigkeit können auch soziale Eigenschaften eine große Rolle spielen, wenn es um die Schulform geht. Von integrativen Modellen wie IGS oder Schwerpunktschule, in denen Schüler vom Schwerbehinderten bis zum Überflieger gemeinsam lernen, profitieren auch Leistungsstarke - wenn sie Engagement für die Gemeinschaft mitbringen.

Ob sich Kinder in einer bestimmten Schulform wohlfühlen, hat nach den Erfahrungen von Anette Müller-Bungert auch damit zu tun, ob die Eltern selbst hinter dem Konzept stehen. Halbherzigkeiten und Zweifel fallen den Kids auf.

In vielen anderen Punkten sollte man die Kinder ernsthaft einbeziehen: Wenn es um die Frage geht, ob man sich an der Schulwahl der "besten Freunde" orientiert. Oder ob man dem Sprössling zutraut, als "Einzelkämpfer" auf die Schule "in der Stadt" zu wechseln. "Das kann man nur individuell entscheiden", sagt die Schulpsychologin, "aber man sollte es nicht gegen das Kind tun"

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