Die ruchlose Jugend anno 1770

THALFANG. "Ach, was muss man oft von bösen Kindern hören oder lesen!" – Wer kennt sie nicht, diese einleitenden Worte Wilhelm Buschs zu seiner Bubengeschichte "Max und Moritz"? Die Klagen der älteren Generation über undizipliniertes Verhalten der Jugend ziehen sich wie ein roter Faden durch die Kulturgeschichte der Menschheit. Natürlich auch in unserer Region, wie TV-Leser Hermann Arend berichtet:

Ein immer wieder diskutiertes Problem war die Anwendung angemessener Strafen für anrüchige Vergehen junger Menschen. Dass die beiden "Bösewichter" Max und Moritz als fein geschrotete Federvieh-Mahlzeit endeten, mag durchaus dem gesunden Rechtsempfinden der Leserschaft entsprochen haben, aber diese brutale Form der Bestrafung war natürlich eine rein literarische Fiktion des großen Humoristen Wilhelm Busch. In der Mark Thalfang griff man um das Jahr 1770 auf alt bewährte Züchtigungsmittel zurück, mit denen jugendliche Frevler bestraft wurden. In dieser Zeit häuften sich die Klagen über das pietätslose Verhalten der Jugend während der Sonntagsruhe. Wie Emil Fröhlich in seiner "Geschichte der Mark Thalfang" erzählt, hatte diese ruchlose Jugend durch Spielen, Saufen und Lärmen den Sonntag entheiligt. Bei dem im Jahr 1776 im wild- und rheingräflischen Amtssitz Tronecken abgehaltenen Oberamtstag kam dann dieses Fehlverhalten prompt zur Sprache. Eine herrschaftliche Verfügung ordnete an, dass der zuständige Amtsmann als weltlicher Arm der Rechtsexekutive ein abschreckendes Beispiel statuieren sollte. Je nach Schwere ihres Vergehens wurden die "ruchlosen Leute" mit 20, 30 und auch mehreren Stockschlägen öffentlich auf dem Kirchhof bei versammelter Kirchengemeinde abgestraft. Süffisant vermerkt der Chronist, dass dieses Zuchtmittel seine Wirkung nicht verfehlt habe: "Nachdem einigen das Fell gründlich gegerbt und sie zum Schaden noch den Spott haben ernten müssen, hörte der Unfug auf." Die Anwendung dieses Zuchtmittels dürfte "vielen schwachen Eltern" nicht unwillkommen gewesen sein, zumal mit dieser öffentlichen Prügelstrafe auch die Hoffnung verbunden wurde, dass "ihre Früchtchen besser gezogen wurden" - so die Einschätzung des Chronisten aus der damaligen Zeit. Manche Erziehungsberechtigten, Pädagogen oder Lehrer mögen bisweilen auch heute noch dieser Möglichkeit der Disziplinierung nachtrauern, aber das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit hat berechtigterweise Vorrang vor Gewaltanwendung. Und das ist gut so. Hermann Arend, "Kulturgeschichtlicher Verein Hochwald" und Redakteur der Vereinszeitschrift "Der Schellemann"

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