Die Schlafwandler-Lüge ist vom Tisch
Trier/Wittlich · Ein Mann missbraucht nachts eine 13-Jährige, kann sich aber am Morgen nicht daran erinnern, weil er Schlafwandler ist. Eben dies behauptete der Angeklagte eines Missbrauchsprozesses vor dem Trierer Landgericht. Gestern aber zog er diese Version zurück. Stattdessen gibt er nun an, nicht gewusst zu haben, dass das Mädchen erst 13 Jahre alt gewesen ist.
Trier/Wittlich. Lügengeschichten haben es an sich, mal früher, mal später wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen. So auch im Prozess am Trierer Landgericht um den schweren sexuellen Missbrauch einer 13-Jährigen aus einer Gemeinde in der VG Wittlich-Land. Dass der 36-Jährige seine Nichte zweiten Grades im Juli 2014 sexuell missbraucht hat, daran besteht kein Zweifel: Es gibt eindeutige DNA-Spuren. Doch der Mann behauptete, der Vorfall müsse stattgefunden haben, während er im Schlaf vom Sex mit einer Frau geträumt habe (der TV berichtete gestern, 6. Januar).
Den ersten Riss bekam das Lügengebilde, das der Angeklagte zu seiner Verteidigung aufgebaut hatte, am Montag, als er betonte, dass dies bereits in der Vergangenheit vorgekommen sei: Er habe sowohl schon mit seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau als auch mit seiner derzeitigen Freundin Sex im Schlaf gehabt und sich am Morgen danach nicht daran erinnert. "Unmöglich" nannte dies die Freundin. Am Dienstag nun bekommt dessen Lügengebäude weitere Risse. Zwei Zeuginnen von der Polizei schildern die Aussage der 13-Jährigen nach dem Vorfall. Der Angeklagte habe sich ihr in jener Nacht insgesamt dreimal genähert, das Mädchen sei davon jeweils wach geworden. Daraufhin habe sich der Mann zunächst zurückgezogen, um es dann erneut zu versuchen, als sie wieder einschlief. Außerdem habe die 13-Jährige berichtet, dass er die Tür des Zimmers geschlossen habe.
Das Verhalten eines Schlafwandlers? Wohl kaum. "Sie sind absolut zielgerichtet und planerisch vorgegangen", fasst der vorsitzende Richter Albrecht Keimburg zusammen und redet dem Angeklagten eindringlich ins Gewissen: "Sie können heute noch verhindern, dass das Mädchen hier sitzen und Details dieser Nacht schildern muss." Eine Standpauke, die das Lügengebäude des Mannes endgültig zum Einsturz bringt. "Alles, was das Mädchen gesagt hat, stimmt", räumt der 36-Jährige ein. Nun will er den Prozess so schnell wie möglich hinter sich bringen.Weitere Zeugen nötig
Doch trotz des Geständnisses kann die Erste Große Jugendkammer gestern kein Urteil verkünden. Denn der Angeklagte sagt auch: "Ich habe da einen schlafenden Menschen, eine vollausgewachsene Frau, liegen sehen - ich dachte, sie ist viel älter." Eben kein "Kind" mehr: Für eine Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes muss der Täter das Alter des Opfers aber kennen oder zumindest billigend in Kauf nehmen, dass es unter 14 Jahre alt und damit juristisch gesehen ein Kind gewesen ist. Ohne diese Kenntnis käme dagegen eine Verurteilung wegen des versuchten sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in Betracht.
Was aber hat der 36-Jährige, der seine Nichte zuvor erst einmal gesehen hatte, gewusst? Kannte er das Alter des Mädchens tatsächlich nicht, oder tischt er dem Gericht nur eine neue Lüge auf? Am 22. Januar wird der Prozess mit Zeugen fortgesetzt. Nicht mehr nötig ist die Anwesenheit eines Schlafforschers - dieses Lügengebilde ist ja bereits in sich zusammengebrochen.