Die Schulden-Branche boomt

COCHEM-ZELL. Konjunkturflaute im ganzen Land: Die Einzelhändler klagen, Handwerker sind frustriert, Existenzgründer geben wieder auf. Nur die Gerichtsvollzieher können sich über Arbeit nicht beklagen. Ihre Branche hat Hochkonjunktur.

Ringe, Reisen, Räder - mit Ratenzahlung ist nichts unmöglich. Aber genau das ist das Problem. Werner Geishecker, Gerichtsvollzieher im Amtsgerichtbezirk Cochem-Zell, weiß wovon er spricht. "Die Leute bekommen es zu einfach gemacht - sie können alles in Raten bezahlen", meint Geishecker. "Aber wenn ein Rädchen in dem Zahlungssystem nicht funktioniert, können die vielen Einzelraten nicht gezahlt werden." Und von "Rücklagen-Mentalität" könne auch keine Rede mehr sein. "Das Einkommen ist bei vielen meiner Kunden bis auf den letzten Cent für Raten eingeteilt", weiß der Gerichtsvollzieher. Da kann es vorkommen, dass Geishecker ohne Erfolg zurückkehrt: "Teilweise lässt sich noch nicht einmal etwas pfänden, weil die wertvollen Sachen meistens an Banken sicherungsübereignet sind", betont der Beamte. An solche Fälle hat er sich schon gewöhnt. Bei anderen "Hausbesuchen" hingegen nimmt er statt eines Pfändungsgegenstands schon mal die Sorgen der Schuldner mit nach Hause: "Teilweise tun mir die Leute leid, wenn sie mir erzählen, dass sie ihre Arbeit verloren haben."Schwierig wird es bei Sorgerechtsfällen

Die miserable Wirtschaftslage macht sich bemerkbar. Geishecker spricht sogar von einem "Schulden-Dilemma". Insgesamt um zehn Prozent sei die Anzahl der Vollstreckungsaufträge durch die anhaltende Konjunkturflaute gestiegen. Und das ist nicht das einzige Anzeichen: "Über die Hälfte der Schuldner sind Stammkunden", die mehrmals im Jahr besucht werden. Und so kommt im Laufe eines Jahres ein nettes Sümmchen zusammen: "Insgesamt treibe ich etwa 500 000 Euro im Jahr ein", sagt Geishecker. Und der Polcher Gerichtsvollzieher ist nur einer von insgesamt dreien im Kreis. Zu dieser stolzen Summe tragen Jugendliche immer stärker bei. "Es ist eine mittlere Katastrophe: Bei der Überschuldung von Jugendlichen handelt es sich nicht mehr um Lappalien - offene Handy- Rechnungen von 4000 bis 5000 Euro sind keine Seltenheit", berichtet er. Doch im Job von Werner Geishecker geht es nicht immer nur um Geld. Auch Zwangsräumungen und Versteigerungen gehören zu seinen Aufgaben. Schwierig wird es oft bei Sorgerechtsfällen, bei denen der Gerichtsvollzieher das Kind von Vater oder Mutter holen muss. Eigentlich kann er zu solchen Terminen einen Mitarbeiter von Jugendamt oder Polizei mitnehmen, "allerdings versuche ich die Lage zuerst allein zu regeln, indem ich mit den Personen eine gütliche Einigung anstrebe." Damit fährt der Gerichtsvollzieher gut. "Wichtig ist, dass man ausgeglichen an die Situationen herangeht", erklärt der Mann, der selbst Vater zweier Kinder ist.

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