Die Toilettenfrage: Muss es eine mehr sein?

Wittlich · Die eine Anlage ist dem Lieserdomizil an der Feldstraße gewichen, die andere ist über den Umbau des Schlossplatzes verschwunden: Dennoch hat Wittlich zahlreiche öffentliche Toiletten. Aber der Behindertenbeirat des Landkreises wünscht eine weitere Behindertentoilette, die 24 Stunden geöffnet ist. Das gehöre zur Inklusion.

Die Toilettenfrage: Muss es eine mehr sein?
Foto: klaus kimmling (m_wil )

Wittlich. "Heute redet jeder von Inklusion. Und dann passiert so was: Zur Säubrennerkirmes ist auch ein Bus mit 24 Rollifahrern gekommen. Die haben nach der Toilette am Schlossplatz gesucht, die ja allen bekannt war. Dann war sie weg. Die Rollis wussten nicht wohin!" Das sagt Artur Greis. Er ist Vorsitzender des Beirats für Menschen mit Behinderung im Landkreis Bernkastel-Wittlich. Jetzt hat der Reiler die Kreisstadt und ihre Behindertentoiletten besucht.
Es gibt sie durchaus: Allein die Stadt Wittlich kann sechs auflisten (Synagoge, Alte Posthalterei, Stadtbücherei, Stadtverwaltung, Haus der Jugend, Friedhof Burgstraße). Die Anlage auf dem Friedhof beispielsweise ist schwer zu finden. In der Stadt vom TV befragten Rollstuhlfahrern war sie unbekannt. Ergänzend sind noch Restaurant Daus, Verbandsgemeindeverwaltung und Schlossgalerie zu nennen. Aber, so Greis: "Sie sind zum Teil kaum mit dem Rollstuhl erreichbar wie im Haus der Jugend, oder die Zufahrt ist schlecht und nicht beleuchtet wie am Friedhof oder man kriegt als Rollifahrer allein die Tür nicht auf, oder der Raum ist zu klein."
Aus Sicht der Stadtverwaltung sagt Jan Mußweiler, Pressesprecher: "Das Ziel einer solchen Begehung ist, dass vorhandene Schwachstellen lokalisiert und - wenn möglich - Lösungsvorschläge erarbeitet werden. So wurde beispielsweise vonseiten des Beirats empfohlen, dass die Toilette in der Alten Posthalterei künftig 24 Stunden zugänglich sein soll."
Das bestätigt Artur Greis, der diese Lösung sehr gut fände, da die neue Anlage mitten in der Stadt auch tatsächlich barrierefrei und behindertengerecht sei.
Auch eine bessere Auffindbarkeit der vorhandenen Anlagen, etwa durch eine Beschilderung, wird angeregt.
Apropos Auffindbarkeit: Man kann nicht einfach im Internet unter dem Stichwort "Behindertentoilette Wittlich" suchen und fündig werden. Dabei könnte man als Gruppe von Betroffenen oder Verwaltung durchaus eine solche eben wichtige Information bereitstellen, oder? Darauf weiß der Beirat keine richtige Antwort.
Jan Mußweiler verweist auf einen Link zu den "Netten Toiletten", also denen, die in Wittlich vom Gastgewerbe für die allgemeine Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, und er sagt: "Zugegeben, die Information ist nicht leicht zu finden. Wir werden auch hier eine optimalere Lösung finden."
Immerhin ist das Thema auch eines der allgemeinen Stadtpolitik: Ehrenbürger Hans-Günther Heinz fordert immer wieder eine zusätzliche Toilettenanlage, und auch die SPD sowie Ali Damar (Linke) haben es auf der Wunschliste (der TV berichtete).
Das ist naturgemäß auch mit Kosten verbunden. 17 900 Euro im Jahr hat die Stadt laut Mußweiler für die nun abgebaute Anlage am Schlossplatz gezahlt.
Er sagt weiter: "Die Stadt Wittlich war nicht Eigentümer dieser Toilettenanlage, hierfür bestand ein Mietvertrag. Der Vermieter hat die Toilette nach Kündigung des Mietverhältnisses abgebaut und abtransportiert. Es gab keine Probleme mit der Toilette. Aufgrund der hohen jährlichen Kosten wurde bei dem Projekt ,Entwicklung Oberstadt' auf die Toilette verzichtet, da ausreichend Toiletten im Bereich der Oberstadt zur Verfügung stehen." Das Thema ist übrigens eine Art Dauerbrenner. Zuletzt wurde erreicht, dass am Bahnhof Wengerohr eine Behindertentoilette eingerichtet wurde (der TV berichtete).
Sie ist nur exklusiv mit einem Spezialschlüssel zugänglich. Inwieweit sie angenommen wird, bleibt offen. Jan Mußweiler: "Zahlen zur Nutzung sind uns nicht bekannt. Die Unterhaltung erfolgt gemäß Vereinbarung durch die Deutsche Bahn."
Der Behindertenbeirat besteht aus 15 ehrenamtlich tätigen Mitgliedern, die entweder selbst eine Behinderung haben oder Angehörige eines Menschen mit Behinderung sind.Meinung

Starke Lobby
Es ist gut, dass der Beirat sich so vehement für die Menschen einsetzt, die er vertritt. Keine Frage. Es ist aber tatsächlich nicht so, als gäbe es in Wittlich keine behindertengerechte Toilette. Der Beirat will natürlich das Optimum: 24 Stunden geöffnet. Vielleicht wird auch für Spenden getrommelt? Wer weiß. Angeblich soll es ja durch Werbung und Sponsoring finanzierte Behindertentoiletten geben. Als Zusatzstandort denkt der Beirat da an den Kurfürstenplatz. Was mir als nicht Behinderte aber völlig unerklärlich ist, warum es keine im Internet leicht und unkompliziert abrufbare Übersicht über die vorhandenen Anlagen und deren Öffnungszeiten, gerne mit Bewertung, gibt. Da kann man auch selber was tun. Immerhin ist davon auszugehen, dass in der Regel kein Rollstuhlfahrer, sagen wir nachts um 4 Uhr, in Wittlich eine Toilette sucht. Ich persönlich wüsste dann übrigens auch nicht, wo ich eine für Nicht-Behinderte finden würde. Was womöglich machbar ist: Zu großen Festivitäten, die die Nacht zum Tag machen, ein mobiles Angebot schaffen. Damit es auch gefunden wird: Hinweis im Internet. s.suennen@volksfreund.de

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