Die Villa des Weinhändlers

Traben-Trarbach · Sie ist schön. Vielleicht die schönste ihrer Art im ganzen Land, findet ihr Besitzer Adolph Huesgen. Die Villa Huesgen in Traben-Trarbach gilt als Verkörperung des reinen Jugendstils, geschaffen von Bruno Möhring, einem Stararchitekten seiner Zeit.

Traben-Trarbach. Hinter Mauern und Bäumen hat Adolph Huesgens gleichnamiger Großvater das prachtvolle Gebäude 1904 errichten lassen. Zweifach unterkellert erheben sich oberirdisch vier Stockwerke bis unters Dach zu dem einst sechs Meter hohen Tanz- und Theatersaal, in dem sich festliche Gesellschaften trafen. Heute ist die Decke abgehangen, das Stockwerk zur Wohnung umgebaut und vermietet.
Räume sind vier Meter hoch


Wer vor 100 Jahren hierher kam, nahm im Parterre den Weg durch eine Diele mit atemberaubenden Ausmaßen. Ein kleines Einfamilienhaus fände darin Platz. Die Großzügigkeit konnte sich der reiche Weinhändler erlauben, weil Traben-Trarbach um die Jahrhundertwende als zweitgrößter europäischer Weinumschlagplatz eine Goldgrube war. Seine florierenden Geschäfte erlaubten es Adolph Huesgen, zwei Millionen Goldmark in den Bau seines Hauses zu stecken.
Bis ins Detail trägt die 800 Quadratmeter große Villa des Weinhändlers noch heute die Handschrift Bruno Möhrings: Er entwarf die ornamentalen Fresken für die vier Meter hohen Räume, die Muster für die kupfernen Ketten, hinter denen er die Heizkörper verbarg, die Lampen, die bunten Glasfenster, die Holzvertäfelungen an den Wänden.
Souvenir aus Paris im Jahr 1900


Die Wasserrohre an den Außenmauern ließ er in riesige kupferne Wasserauffänger münden, die an Fische erinnern, die mit geschürzten Lippen senkrecht an die Wasseroberfläche steigen, als ob sie nach Luft schnappen wollten. Ein Turm mit einer auffälligen Kuppel schmiegt sich an die Gartenseite des Hauses. Auf der Moselseite lädt ein Balkon in der Breite des Hauses dazu ein, auf den Fluss zu schauen, zu dem das Grundstück ursprünglich einen direkten Zugang besaß - ein Wunsch des Bauherren, der so ohne Umwege seiner Leidenschaft fürs Rudern nachgehen konnte.
Ein weiter Park mit altem Baumbestand trennt Fluss und Haus. 7000 Quadratmeter Gartenarchitektur, ebenfalls von Bruno Möhring entworfen. Doch von der pflegeintensiven Anlage mit vielen Rosenbeeten und verschlungenen Kieswegen ist nur noch ein Teil erhalten, den Rest ersetzen Rasenflächen. Eine grenzt an ein Bassin, vor dem aufblasbare Schwimmtiere den Wasserspaß der beiden Enkelinnen des heutigen Besitzers erahnen lassen.
Über der Wasseroberfläche ist eine kupferne Platte mit Löwenkopf in die Wand eingelassen. Sie stammt von der Weltausstellung im Jahr 1900 in Paris.
An Eleganz gewöhnt


Adolph Huesgen, der Enkel des Erbauers, ist kein staunender Betrachter der prachtvollen Schönheit, die ihn umgibt. "Hier drin lässt es sich gut wohnen", lautet sein trockener Kommentar.
Der pensionierte Weinhändler lebt seit seiner Geburt 1935 in der Villa. Für ihn ist ihre Eleganz Gewohnheit. Am liebsten hält er sich im Salon auf, in den die Dame des Hauses zu Kaffeekränzchen lud, während derer sie sich durch links und rechts in die Wände laufende Schiebelemente vom angrenzenden Wohnzimmer des Hausherrn abschirmen konnte. Dort blättert Adolph Huesgen in alten Fotoalben und zeigt Bilder von dem Brand, der 1983 bei Restaurierungsarbeiten ausbrach und das Dach zerstörte.
Kunst als Kriegsmunition


Im Theatersaal, der zu der Zeit nur noch als Speicher genutzt wurde, verbrannten auch mehrere Klaviere und antike Möbel.
Zuvor erlebte die Villa die letzten größeren Zerstörungen in den Weltkriegen, in denen alles Kunsthandwerk aus Kupfer für die Herstellung von Munition beschlagnahmt wurde und ein einquartiertes französisches Brückenbaukommando die Innenausstattung verwüstete. Allein der Zahn der Zeit tut das Seine, um die Generationen von Besitzern mit Reparaturen auf Trab zu halten.
Aber gerade das mag Adolph Huesgen besonders an dem alten Gebäude. "Wer rastet, der rostet", sagt der 76-Jährige und freut sich schon auf das nächste Projekt, den Wiederaufbau des Wintergartens.

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