Die Weltreligionen ins Gespräch bringen

Wittlich · Seit einem halben Jahr ist Professor Hans-Georg Gradl Leiter des Wittlicher Emil-Frank-Instituts (EFI), das sich mit der Erforschung der jüdischen Geschichte in der Region befasst. Gradl ist Nachfolger von Professor Reinhold Bohlen, der das Institut vor 16 Jahren gegründet hat. Im Interview mit TV-Redakteur Hans-Peter Linz zieht Gradl eine erste Bilanz seiner Zeit als Institutschef.

 Hans-Georg Gradl ist der neue Leiter des Emil-Frank-Instituts. TV-Foto: Hans-Peter Linz

Hans-Georg Gradl ist der neue Leiter des Emil-Frank-Instituts. TV-Foto: Hans-Peter Linz

Wittlich. In den vergangenen 16 Jahren hat sich das Wittlicher Emil-Frank-Institut seinen festen Platz in der wissenschaftlichen Landschaft der Region erarbeitet. Seine Bibliothek bietet umfangreiche Recherchemöglichkeiten über die jüdische Geschichte in der Region. Zudem unterstützt das EFI den christlich-jüdischen Austausch durch Besuche und Führungen, die auch der breiteren Öffentlichkeit angeboten werden. Im Frühsommer hatte es zu einem religiösen Rundgang geladen, der unter anderem christliche Kirchen, die Moschee und auch die ehemalige Synagoge zum Ziel hatte - 100 Teilnehmer gingen mit. Seit Juni leitet Hans-Georg Gradl das Institut, der damit in die Fußstapfen des Gründers Reinhold Bohlen gestiegen ist. Bohlen hatte das Institut vor 16 Jahren gegründet.Herr Gradl, Sie stammen aus Eschenbach/Opf in der Pfalz, haben dort studiert, waren in Regensburg und in Rom, wo sie die Priesterweihe empfangen haben. Nach dem Studium in München, wo sie sich habilitiert haben, sind Sie nun in Trier und Wittlich tätig. Wie haben Sie diese Veränderung erlebt und wie fühlen Sie sich in der Region?Gradl: Mit dem Direktorenamt sind viele neue Aufgaben verbunden, die über die Tätigkeit als Professor an der Fakultät hinausgehen. Bei der Einarbeitung, Programmgestaltung und der Alltagsarbeit am Institut haben mich viele Menschen unterstützt: Freunde und Gönner des Instituts, Verantwortliche in Politik und Kultur, mein Mitarbeiter René Richtscheid. All das hat mir den Anfang erleichtert. Ich blicke zuversichtlich nach vorn, denn das EFI ruht auch auf dem guten ehrenamtlichen Engagement vieler Menschen in der Region. So muss ich etwa das Feld der Gedenkarbeit, der lokalen Forschung und Wissensspeicherung nicht neu bestellen, sondern darf es begleiten und pflegen. In den vergangenen Jahren ist in Wittlich viel Bewusstsein für die Geschichte gewachsen. Das zeigt sich etwa auch daran, dass sich gut 100 Personen zur Gedenkstunde an die Pogromnacht versammelten. Das ist nicht selbstverständlich. Diese Bürgerbeteiligung freut mich für Wittlich und für das Institut. In Trier sind Sie ordentlicher Professor an der Theologischen Fakultät, während Sie hier das Emil-Frank-Institut leiten. Lässt sich das alles miteinander vereinbaren?Gradl: An Aufgaben und Arbeit mangelt es nicht. Zu meiner Tätigkeit an der Fakultät gehören die Vorlesungen, Prüfungen, Veröffentlichungen und auch der Einsatz in der Erwachsenenbildung. Daneben helfe ich als Priester in den Gemeinden der Trierer Innenstadt mit. Die ehrenamtliche Arbeit als Direktor des Instituts ließe sich nicht alleine bewerkstelligen. Da zehre ich von der Erfahrung und Unterstützung unseres langjährigen Geschäftsführers René Richtscheid, der mit der Geschichte des Instituts und den lokalen Bezügen bestens vertraut ist. Sie sind katholischer Theologe. Woher kommt Ihr Interesse an der jüdischen Geschichte und Kultur?Gradl: Man kann die Bibel ohne ihren jüdischen Hintergrund nicht verstehen. Die Erforschung des Alten Testaments war stets auch ein Teil des Theologiestudiums, meiner Promotion und Habilitation. In der Institutsarbeit kommt nun verstärkt auch die jüdische Geschichte und Kultur im Mosel-, Eifel- und Hunsrückraum hinzu. Ich begegne Lokalhistorikern, die in oft mühevoller Archivarbeit die Biographien der jüdischen Ahnen Wittlichs lebendig werden lassen. Sie geben der großen (und oft abstrakten) Geschichte ein konkretes Gesicht. Wie schätzen Sie die bisherige Arbeit des Instituts ein. Welche Akzente wollen Sie in Zukunft setzen, haben sie konkrete Pläne?Gradl: Es geht wirklich um Akzente, denn die grundlegende Arbeit läuft im Institut enorm gut. Die Unterstützung von wissenschaftlichen Projekten auf regionaler und überregionaler Ebene, die Bestückung der Bibliothek und Mediathek, die Vortragstätigkeit, die Führungen von Schulklassen und Gruppen - all das soll wachsen. Diese bereits planierten Wege möchte ich in Schuss halten. Was uns als ein Projekt in den kommenden Monaten vorschwebt, wäre auch eine trialogische Perspektive zu verfolgen, um die Weltreligionen miteinander ins Gespräch zu bringen. Das soll nicht die generelle Ausrichtung des Instituts verändern, sondern bereichern. Ich könnte mir zum Beispiel weitere Projekttage mit Schulen vorstellen, wie wir das auch schon in Traben-Trarbach gemacht haben. Der besondere Charakter des Instituts ist ja gerade, die Wissenschaft im lokalem Hintergrund zu verankern. Stichwort Finanzen: Wie ist es um die Finanzierung des Instituts bestellt?.Gradl: Wer um Kultur und Bildung, die Vermittlung von geisteswissenschaftlichen Inhalten und die Förderung von regionaler Forschung bemüht ist, schwimmt nicht im Geld. Wir werden von der Kulturstiftung der Stadt Wittlich unterstützt. Das Bistum Trier fördert die Arbeit des Instituts sehr. Manche Mitarbeiterstunde lässt sich nur finanzieren, weil auch der Freundeskreis die Arbeit am Institut finanziell mitträgt. Und daneben gilt es, weitere - projektbezogene - Drittmittel einzuwerben und so das Grundkapital gewinnbringend zu verzinsen. Ideen für Projekte und Veranstaltungen sind zahlreich vorhanden, aber das liebe Geld setzt uns Rahmen und leider auch Grenzen.Extra

Das Emil-Frank-Institut (EFI) an der Universität Trier und an der Theologischen Fakultät Trier wurde am 19. November 1997 in Wittlich eröffnet. Es ist eine rechtlich selbstständige Einrichtung. Träger ist der gemeinnützige "Trägerverein des Emil-Frank-Instituts e.V.". Mit seinem Namen erinnert das Emil-Frank-Institut an Leben und Werk des langjährigen Vorstehers der jüdischen Gemeinde in Wittlich, Emil Frank (1878-1954). Das Emil-Frank-Institut dient der Begegnung von Juden und Nichtjuden. Es fördert durch Forschung, Lehre und Weiterbildung das Wissen um Wesen und Geschichte des Judentums. Darüber hinaus soll es Kontakte mit jüdischen Repräsentanten, Institutionen sowie Aus- und Fortbildungsstätten im In- und Ausland ermöglichen. Das Institut baut eine wissenschaftlich orientierte Bibliothek sowie eine Mediathek für den Lehrbedarf und zur Ausleihe auf. Es hält in der Stadtbücherei Wittlich eine Sondersammlung jüdischer Gegenwartsliteratur in deutscher Sprache beziehungsweise Übersetzung bereit. red

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