Die Wissenschaft zum Menschen bringen

Wittlich · Der langjährige Leiter des Wittlicher Emil-Frank-Instituts, Professor Reinhold Bohlen, ist in den Ruhestand gegangen. Ihm folgt Professor Hans-Georg Gradl. Die Übergabe wurde mit einem Festakt in der Synagoge in Wittlich gefeiert.

Wittlich. An diesem Abend wird die Wittlicher Synagoge zum Treffpunkt der akademischen Szene der Region. Zum Festakt anlässlich der Übergabe der Leitung des Emil-Frank-Instituts (EFI), das die jüdische Geschichte erforscht, kommen 170 Besucher in die Himmeroder Straße.
Professor Reinhold Bohlen erzählt in seiner Rede aus der Gründungszeit des Instituts, das nach dem Wittlicher Juden Emil Frank benannt ist, der 1941 vor den Nazis fliehen musste. "Wir haben 1997 mit ausgemusterten Büromöbeln und viel Elan begonnen," sagt Bohlen und lässt die vergangenen 16 Jahre Revue passieren.
Nach drei Jahren in einer Wohnung in der Trierer Landstraße habe man 2000 in die Schlossstraße umziehen können. Ohne die Unterstützung der Stadt Wittlich sei das nicht möglich gewesen. Besondere Höhepunkte seien unter anderem die Besuche von Michel Friedman und Paul Spiegel vom Zentralrat der Juden in Deutschland gewesen.
Inzwischen habe die hauseigene Bibliothek einen Bestand von 11 000 Medieneinheiten (Bücher, CDs, DVDs) und zwei umfangreiche Datenbanken mit Bibliografien und Biografien. Neben der wissenschaftlichen Arbeit seien auch der Austausch zwischen Juden und Nichtjuden, die Organisation von Studienreisen und auch die zahlreichen Führungen von Schulklassen und Interessierten von großer Bedeutung.
Blühende Gemeinde


Diözesanbischof Stephan Ackermann erinnert daran, wie wichtig es sei, die Wissenschaft auch zu den nicht studierten Menschen zu bringen und betonte die "geschwisterliche Verbundenheit zwischen Judentum und Christentum". Gerd Voremberg von der jüdischen Kultusgemeinde lobt die Arbeit des EFI, das jüdisches Leben wieder in das Bewusstsein einer Stadt bringe, die vor dem Krieg eine blühende jüdische Gemeinde mit über 200 Mitgliedern gehabt habe.
Bohlens Nachfolger Hans-Georg Gradl wurde 1973 in Eschenbach (Oberpfalz) geboren und ist seit 2013 Professor an der Theologischen Fakultät in Trier.
Gradl verspricht nach der Schlüsselübergabe, die Arbeit fortzuführen. Das Dach des Instituts heiße "Dialog" und dieser solle auch in Zeiten knapper Budgets weiter entwickelt und gepflegt werden. Unter anderem denke er an Projekte, die alle drei Weltreligionen in einen gleichrangigen Dialog bringen sollen.
Weitere Festredner sind Professor Michael Jäckel, Präsident der Universität Trier und Wittlichs Bürgermeister Joachim Rodenkirch. Zu den Gästen zählen auch Professor Wolfgang Lentzen-Deis (bis 2003 Rektor der Theologischen Fakultät Trier), Professor Alfred Haverkamp aus Trier, Dompropst Werner Rössel und nicht zuletzt der ehemalige Wittlicher Bürgermeister Helmut Hagedorn, in dessen Amtszeit das Institut gegründet wurde.
Für Musik sorgen Moritz Reutlinger (Violoncello) und Richard Ufer (Klavier), die Stücke von Josef Sulzer, Ernest Bloch und Erwin Schulhoff spielen. Die Moderation hat René Richtscheid, Geschäftsführer des Instituts.Extra

Emil Frank wurde am 11. Juli 1878 in Wittlich geboren. Er übernahm im Jahre 1912 das von seinem Vater Isaac 1870 gegründete Textilkaufhaus am Marktplatz in Wittlich, kämpfte im Ersten Weltkrieg für Deutschland und wurde 1920 Vorsteher der Synagogengemeinde Wittlich. Er war Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und genoss in der Wittlicher Bevölkerung ein hohes Ansehen. Als aber die Nazis die Macht übernahmen, musste er 1941 nach Utica, USA, fliehen. Dort starb er am 21. Juni 1954. Aus dem einst so angesehenen Geschäftsmann war ein einfacher Hausierer geworden, der in gebrochenem Englisch Schnürsenkel und Schuhbürsten an den Türen feilbot. Er ist Namensgeber für das Institut, das seit 1997 in Wittlich besteht und nun weltweit bekannt ist. red

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